08.04.2025 -
Mit Urteil vom 11.12.2024 (I R 33/22) hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem vielbeachteten Verfahren eine grundlegende Frage zur körperschaftsteuerlichen Organschaft beantwortet: Steht eine atypisch stille Beteiligung der Anerkennung einer Organschaft entgegen?
Neue Gestaltungsspielräume für viele Unternehmensgruppen durch neues BFH Urteil! Eine atypisch stille Beteiligung steht der Anerkennung einer Organschaft nicht entgegen (credits: adobestock).

Einleitung: Steuerliche Weichenstellung mit Signalwirkung

Mit Urteil vom 11.12.2024 (I R 33/22) hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem vielbeachteten Verfahren eine grundlegende Frage zur körperschaftsteuerlichen Organschaft beantwortet: Steht eine atypisch stille Beteiligung der Anerkennung einer Organschaft entgegen? Die Antwort: Nein – jedenfalls nicht grundsätzlich. Damit stellt sich der BFH bewusst gegen die bisherige Linie der Finanzverwaltung und der Finanzgerichte. Die Entscheidung bringt steuerliche Klarheit – und eröffnet vielen Unternehmensgruppen neue Gestaltungsspielräume.

1. Der Streitfall: Wenn 90 % nicht genug sind

Im entschiedenen Fall war eine GmbH als Organgesellschaft Teil eines Gewinnabführungsvertrags mit einer Kommanditgesellschaft (KG) als Organträger. Danach war die GmbH verpflichtet, den ganzen von ihr erwirtschafteten Gewinn an die KG abzuführen. Gleichzeitig bestand an der GmbH eine atypisch stille Beteiligung – ebenfalls durch die KG –, die zu 10 % am Gewinn beteiligt war.

Das Finanzamt verweigerte die Anerkennung der Organschaft mit der Begründung: Da der KG als atypisch still Beteiligter ein Anteil von 10 % des Gewinns der GmbH zustand, seien lediglich 90 % des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden sei. Da das Gesetz aber die Abführung des ganzen Gewinns fordere sei die Organschaft daher insgesamt nicht anzuerkennen. Auch das Finanzgericht folgte dieser Sichtweise.

2. Zum Verständnis

a. Was ist eine körperschaftsteuerliche Organschaft?

Die Organschaft ist ein steuerliches Gestaltungsinstrument, das es verbundenen Unternehmen erlaubt, ihre Gewinne und Verluste innerhalb eines Konzerns zu konsolidieren.

Voraussetzungen (§§ 14 ff. KStG):

  • Zwischen Organträger und Organgesellschaft muss ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bzw. ein isolierter Gewinnabführungsvertrag (GAV) nach § 291 AktG bestehen.
  • Die Organgesellschaft muss ihren ganzen Gewinn an den Organträger abführen.
  • Die Vertragspflichten müssen zivilrechtlich wirksam vereinbart und tatsächlich durchgeführt werden.

Vorteil: Verluste einer Tochtergesellschaft können unmittelbar mit Gewinnen anderer Konzerngesellschaften verrechnet werden – ein erheblicher Liquiditätsvorteil.

b. Was ist eine atypisch stille Beteiligung?

Eine stille Gesellschaft ist ein Innengesellschaftsverhältnis, bei dem sich der stille Gesellschafter durch eine Einlage am Handelsgewerbe eines anderen beteiligt.

Zivilrechtlich werden (atypisch) stille Beteiligungen an als Teilgewinnabführungsverträge im Sinne des § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG qualifiziert.

Atypisch stille Beteiligung:

  • Der Gesellschafter ist nicht nur am Gewinn, sondern auch am Verlust und an den stillen Reserven beteiligt.
  • Steuerlich wird diese Beteiligung als Mitunternehmerschaft behandelt.
  • Der stille Gesellschafter gilt als Mitunternehmer, mit entsprechender Gewinnzurechnung und -besteuerung.

3. Die Entscheidung des BFH: „Ganzen Gewinn“ zivilrechtlich verstehen

Der BFH widerspricht der Auffassung der Finanzverwaltung und Finanzgerichte und stellt klar:

Maßgeblich ist der handelsrechtliche Gewinn nach Abzug der Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters.

Die wesentlichen Argumente:

  • Der „ganze Gewinn“ im Sinne des § 14 KStG sei der nach handelsrechtlichen Grundsätzen ermittelte Jahresüberschuss.
  • Die Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters sei handelsrechtlich als Betriebsausgabe und damit als Aufwand zu behandeln – wie andere Geschäfts(un)kosten auch.
  • Die Abführungspflicht beziehe sich nicht auf den Bruttogewinn, sondern auf den Gewinn nach Abzug dieser Aufwendungen.
  • Die stille Beteiligung an der abführungspflichtigen Kapitalgesellschaft ist steuerrechtlich nicht „organschaftsschädlich“, obgleich sie zivilrechtlich nicht anders als eine atypisch stille Beteiligung als Teilgewinnabführungsvertrag im Sinne des § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG qualifiziert wird.

Der BFH schließt sich damit der herrschenden Literaturmeinung an und erteilt der restriktiven Auslegung durch die Finanzverwaltung eine klare Absage.

4. Bedeutung für die Praxis: Mehr Gestaltungsspielraum für Unternehmensgruppen

  • Atypisch stille Beteiligungen sind nicht per se organschaftsschädlich.
  • Die Möglichkeit zur Organschaft bleibt erhalten, wenn der verbleibende Gewinn im Sinne der handelsrechtlichen Vorschriften vollständig abgeführt wird.
  • Die Entscheidung stärkt Unternehmen, die atypisch stille Beteiligungen zur Kapitalbeschaffung oder strategischen Einbindung von Partnern nutzen, ohne auf die Vorteile der Organschaft verzichten zu wollen.

Mit dem Urteil I R 33/22 vom 11.12.2024 hat der BFH ein lange umstrittenes Thema praxisnah und wirtschaftlich sinnvoll entschieden. Die klare Orientierung am Handelsrecht sorgt für Transparenz und Rechtssicherheit.

Für Unternehmen und steuerliche Berater bietet die Entscheidung neue Spielräume in der Konzernstrukturierung, insbesondere bei der Verbindung von Kapitalgesellschaften mit Mitunternehmerschaften.

Wichtig: Die tatsächliche Durchführung des GAV bleibt auch weiterhin unerlässlich – und die vertraglichen Pflichten müssen zivilrechtlich wirksam sein.

Wenn Sie prüfen möchten, ob Ihre Unternehmensstruktur von dieser Entscheidung profitieren kann, sprechen Sie uns gern an. Wir beraten Sie bei der Gestaltung und Absicherung von Organschaftsverhältnissen.


Autor: RA & StB Andreas Jahn

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  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht.“
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