21.02.2025 -

FG Münster läutet Änderung der schwer vermittelbaren Finanzrechtsprechung ein

Das FG Münster ändert die Rechtsprechung hinsichtlich der Frage, wann bei einer grundbesitzenden Personengesellschaft ein Rechtsgeschäft der Grunderwerbsteuer unterliegt.
Grundbesitzende Personengesellschaft: Wann unterliegt ein Rechtsgeschäft der Grunderwerbsteuer? (credits: adobestock).

Worum es geht:

Vereinigen sich in der Hand eines Gesellschafters einer grundbesitzenden Personengesellschaft mehr als 90 % (seit dem 01.07.2021, vorher 95 %) der Anteile, löst das Grunderwerbsteuer aus. Erwirbt ein Gesellschafter, der bereits mehr als 90 % der Anteile hält, weitere Anteile hinzu, ist der Vorgang folglich nicht steuerbar (Ausnahme: § 23 Abs. 21 GrEStG). Das nimmt der BFH zumindest für eine mittelbare Beteiligung an, nicht aber für eine rein unmittelbare Beteiligung. Nach BFH hält jeder Personengesellschafter eine Beteiligung, unabhängig von der tatsächlichen vermögensmäßigen Beteiligung.

Beispiel: An der X-GmbH & Co. KG mit Grundbesitz ist X als alleiniger Kommanditist und zu 100 % am Vermögen beteiligt. Die Komplementärin Z-GmbH mit ihrem alleinigen Gesellschafter Z ist mit 0% am Vermögen der der X-GmbH & Co. KG beteiligt. X erwirbt nun auch die Anteile an der Z-GmbH. Seine vermögensmäßige Beteiligung am Grundbesitz ändert sich nicht. Dennoch sehen BFH und die Finanzverwaltung hierin eine steuerbare Anteilsvereinigung. Dieses Ergebnis ist schwer zu vermitteln.

Allerdings hat der BFH in seinem Urteil vom 27.05.2020 II R 45/17, dort Rn. 21, in einem obiter dictum angedeutet, dass es auch für die unmittelbare Beteiligung auf die vermögensmäßige Beteiligung ankommen könne – und nicht auf die Berechnung nach Köpfen. Diesen Hinweis nutzt das FG Münster, um hoffentlich die Änderung der Rechtsprechung des BFH zu bewirken.

Sachverhalt (vereinfacht)

Das Finanzgericht Münster hatte am 16.01.2025 im Verfahren 8 K 2751/21 F zu entscheiden, eine zu 100 % am Vermögen der KG beteiligte Kommanditistin, die später Anteile an der nicht am Vermögen der KG beteiligten Komplementär GmbH erwirbt, einen steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Das nahm das Finanzamt an. Die Klägerin wehrte sich dagegen mit der Begründung, dass sie bereits vor der Anteilsübertragung zu 100 % am Vermögen der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt gewesen sei, sodass keine steuerbare Anteilsvereinigung stattgefunden habe.

Entscheidung des Finanzgerichts Münster

Das Gericht gab der Klage statt, ließ allerdings die Revision zu. Dabei stellte es klar, dass eine steuerbare Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG voraussetzt, dass mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand vereinigt werden. Dies sei jedoch nicht der Fall, wenn der Erwerber bereits vor der Übertragung zu 90 % oder mehr beteiligt war.

Das Gericht folgte der Auffassung der Klägerin und stellte fest, dass die Betrachtung der Beteiligung nicht anhand der sachenrechtlichen Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen (also nach Köpfen) erfolgen dürfe, sondern anhand der wirtschaftlichen Beteiligung am Gesellschaftskapital.

Argumentation des Finanzgerichts

1. Rechtsgrundlage und Voraussetzungen der Steuerbarkeit

  • Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Rechtsgeschäft der Grunderwerbsteuer, wenn dadurch mittelbar oder unmittelbar mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand vereinigt werden.
  • Bereits bestehende Beteiligungen sind jedoch zu berücksichtigen, sodass keine steuerbare Anteilsvereinigung vorliegt, wenn der Erwerber bereits zuvor die erforderliche Beteiligungsschwelle überschritten hatte.

2. Abweichung von der bisherigen BFH-Rechtsprechung

  • Das Finanzamt berief sich auf die bisherige BFH-Rechtsprechung, wonach unter „Anteil der Gesellschaft“ nicht die Beteiligung am Gesellschaftskapital, sondern die gesamthänderische Mitberechtigung zu verstehen sei.
  • Das FG Münster folgte dieser Auffassung jedoch nicht und verwies auf das obiter dictum des BFH aus dem Urteil II R 45/17, das dafür spricht, auch bei einer unmittelbaren Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft auf die Beteiligung am Gesellschaftskapital abzustellen.
  • Anderenfalls kann es übrigens eine unmittelbare Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile einer Personengesellschaft, die das Gesetz als Schwelle definiert, nicht geben. Denn jeder Gesellschafter hält nach dieser Auffassung ja immer nur einen einzigen Anteil.

3. Kritik an der Differenzierung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Beteiligung

  • Der BFH hatte früher für mittelbare Anteilsvereinigungen entschieden, dass die Beteiligung an einer zwischengeschalteten Personengesellschaft nicht nach sachenrechtlichen Kriterien, sondern nach der Beteiligung am Gesellschaftskapital zu beurteilen sei.
  • Das Finanzgericht übertrug diese Sichtweise auf unmittelbare Beteiligungen und argumentierte, dass es keinen sachlichen Grund gibt, eine Differenzierung zwischen beiden Fällen vorzunehmen.

Folgen des Urteils

  • Das Finanzgericht Münster hat mit dieser Entscheidung eine Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung angedeutet und die Bedeutung der wirtschaftlichen Betrachtung betont.
  • Das Urteil zeigt, dass Steuerpflichtige sich gegen Feststellungsbescheide zur Wehr setzen können, wenn sie bereits vor der Anteilsübertragung die relevante Beteiligungsschwelle von 90 % überschritten hatten.
  • Achtung! Ausnahme: Die frühere Grenze von 95 % gilt zeitlich unbegrenzt fort, sofern der Gesellschafter zwar mehr als 90 % aber weniger als 95 % der Anteile vereinigt hat (§ 23 Absatz 21 GrEStG). Hierdurch verhindert der Gesetzgeber, dass vor dem 01.0 7. 2021 etablierte 94,9 % / 5,1 % „RETT-Blocker“ Strukturen steuerneutral bereinigt werden können (vgl. Pahlke/Joisten, 7. Aufl. 2023, GrEStG § 1 Rn. 400, beck-online).
  • Da die Revision zugelassen wurde, bleibt abzuwarten, ob der BFH die Sichtweise des Finanzgerichts bestätigt oder zur bisherigen Rechtsauffassung zurückkehrt.

Fazit

Die Entscheidung des Finanzgerichts Münster bietet Steuerpflichtigen neue Argumentationsansätze. Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Entscheidung sollten betroffene Unternehmen ihre bestehenden Steuerfestsetzungen prüfen lassen und gegebenenfalls Rechtsmittel einlegen.

Wir werden die weitere Entwicklung beobachten und auf dieser Homepage darüber berichten.


Autor: RA & StB Andreas Jahn

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Partner
Andreas Jahn
  • Rechtsanwalt und Steuerberater
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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