08.01.2025 -

Überwachung eines Arbeitnehmers durch Detektiv bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit – Entschädigungsanspruch nach Art. 82 DSGVO

Arbeitgeber sehen sich immer wieder mit Situationen konfrontiert, in denen Arbeitnehmer sich nach einem Konflikt krankmelden. Regelmäßig sind Arbeitnehmer in diesen Fällen tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt, ausnahmsweise können jedoch auch Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen. Etwaige Zweifel zu erhärten, ist für Arbeitgeber häufig schwierig. Eine Überwachung des jeweiligen Arbeitnehmers durch einen Detektiv ist jedoch grundsätzlich keine geeignete Lösung, um das (Nicht-)Bestehen der Arbeitsunfähigkeit aufzuklären, sondern stellt eine Verletzung der Datenschutzgrundverordnung dar, die einen immateriellen Schadensersatzanspruch des betroffenen Arbeitnehmers nach sich ziehen kann. Dies hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr klargestellt (BAG v. 25.7.2024, 8 AZR 225/23, NZA 2024, 1580).

Eine Überwachung des jeweiligen Arbeitnehmers durch einen Detektiv ist grundsätzlich keine geeignete Lösung, um das (Nicht-)Bestehen der Arbeitsunfähigkeit aufzuklären, sondern stellt eine Verletzung der Datenschutzgrundverordnung dar!
Stellt die Überwachung eines Arbeitnehmers durch einen Detektiv eine Verletzung der DSGVO dar? (credits: adobestock)

Der Fall:

Der Kläger war seit dem 1. September 2009 bei der beklagten Arbeitgeberin im Außendienst beschäftigt. Im Übrigen arbeitete er aus dem Homeoffice. Unter dem 29. Juli 2021 sprach die Beklagte eine Änderungskündigung aus, in deren Rahmen sie dem Kläger anbot, das Arbeitsverhältnis an einem anderen rund 600km vom Wohnort des Klägers entfernten, Arbeitsort fortzusetzen. Der Kläger erhob Klage gegen die Änderungskündigung. Diese blieb jedoch ohne Erfolg. In der Folgezeit kam es zu Differenzen zwischen den Parteien über die vertragsgemäße Beschäftigung des Klägers.

Mit E-Mail vom 4. Februar 2022 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er aufgrund einer „außerhalb der Arbeitszeit“ an diesem Tag erlittenen Verletzung arbeitsunfähig sei und übersandte ihr eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit bis zum 18. Februar 2022. Später übersandte der Kläger eine Folgebescheinigung, die eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 4. März 2022 attestierte.

Die Beklagte ließ den Kläger in der Zeit vom 25. Februar 2022 bis 4. März 2022 stichprobenartig durch eine Detektei überwachen, da sie den Verdacht hatte, dass der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit nur vortäuschte. Die Detektei nahm in ihren Bericht Beobachtungen des Klägers im öffentlichen Raum sowie auf dem Grundstück seines Wohnhauses auf. Der Bericht enthielt Ausführungen zu den Aktivitäten des Klägers sowie zu dessen körperlichen Zustand („Herr S zieht beim Gehen das linke Bein nach“, „Augenscheinlich hat er dabei keine große Mühe, die sicherlich schwere Batterie zu tragen.“).

Mit seiner Klage verlangte der Kläger Schmerzensgeld wegen der Überwachung in Höhe von mindestens 25.000 €. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 1.500 €.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts. Der Kläger habe einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz in Höhe von 1.500 €.

Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person einen Anspruch auf Schadensersatz, der wegen eines Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist. Ein solcher Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung liege vor. Die Beklagte habe im Rahmen der Observation des Klägers in unzulässiger Weise Gesundheitsdaten verarbeitet.

Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten sei gemäß Art. 9 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich verboten. Jedoch erlaube § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG ausnahmsweise eine Verarbeitung entsprechender Daten, wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten u.a. aus dem Arbeitsrecht erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt.


Hinweis für die Praxis:

Gesundheitsdaten sind personenbezogene Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person beziehen und aus denen Informationen über deren Gesundheitszustand hervorgehen. Verarbeiten Arbeitgeber Gesundheitsdaten, so müssen sie gemäß § 22 Abs. 2 BDSG angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Person vorsehen.


Die Dokumentation des sichtbaren Gesundheitszustandes des Klägers, insbesondere seines Gangs, stelle eine Verarbeitung ihn betreffender Gesundheitsdaten dar. Diese Datenverarbeitung sei unzulässig. Sofern der Arbeitgeber Zweifel am Vorliegen einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit hege und den Arbeitnehmer deshalb durch Detektive oder andere Personen beobachten lassen möchte, könne die daraus folgende Verarbeitung von Gesundheitsdaten nur dann ausnahmsweise zulässig sein, wenn der Beweiswert einer vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert und eine Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse nicht möglich sei oder objektiv keine Klärung erwarten lasse.

Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei nicht erschüttert. Allein der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehende Konflikt über den Arbeitsort führe nicht zu einer Erschütterung des Beweiswertes. Hierzu bedürfe es weiterer Anhaltspunkte, die jedoch nicht vorliegen.

Durch die Überwachung sei dem Kläger auch ein immaterieller Schaden entstanden.


Hinweis für die Praxis:

In Fällen immaterieller Schäden ist die Abgrenzung häufig schwierig. Auch negative Gefühle („Befürchtung“) können einen Schaden darstellen. Das bloße Berufen auf eine bestimmte Gefühlslage reicht hingegen nicht aus. Grundsätzlich muss der Betroffene konkret vortragen, welchen Schaden er erlitten hat. Ausnahmsweise ist dies nur dann nicht erforderlich, wenn der Schaden objektiv erkennbar ist.


Ein Schaden liege vorliegend bereits in dem durch die Überwachung erlittenen Kontrollverlust, insbesondere im Verlust der Sicherheit vor Beobachtung im privaten Umfeld. Dieser Vortrag sei auch hinreichend konkret, da er in Bezug zu einer mehrtägigen Überwachung stehe, die eine heimliche Beobachtung und Einschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers umfasste und ihn auch im Außenbereich seines Wohnhauses betraf. In einer solchen Konstellation seien der Verlust von Kontrolle und die daraus folgende Befürchtung weiterer Überwachung selbsterklärend und bedürfen keiner weiteren näheren Darlegung.

Dies rechtfertige einen Schadensersatz in Höhe von 1.500 Euro. Die Beobachtung und das Fotografieren des Klägers in seiner privaten Umgebung, die zeitliche Dimension sowie der Umstand, dass es sich um die Erhebung von Gesundheitsdaten handele, sei zu Lasten der Beklagten in die Abwägung einzustellen. Zu ihren Gunsten sei demgegenüber zu berücksichtigen, dass diese den Detektivbericht nicht an Dritte gegeben und der Kläger weitere psychische Belastungen nicht dargelegt habe.


Hinweis für die Praxis:

Ohne Bedeutung für die Höhe des immateriellen Schadensersatzes ist die Höhe des Gehalts des Betroffenen (BAG v. 5.5.2022 – 2 AZR 363/21, NZA 2022, 1191.) Auch hat der Schadensersatz keine Abschreckungs- oder Straffunktion. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob der Verantwortliche vorsätzlich gehandelt hat. Entscheidend ist allein, dass der erlittene Schaden in voller Höhe ausgeglichen wird, wobei maßgeblich auf die Intensität der Datenschutzverletzung abzustellen ist.


Fazit:

Bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit ihrer Arbeitnehmer sollten Arbeitgeber keinen Detektiv mit der Überwachung des jeweiligen Arbeitnehmers beauftragen. Die hierin liegende Datenverarbeitung stellt regelmäßig einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung dar und kann daher einen immateriellen Schadensersatzanspruch des Betroffenen begründen. Etwas anderes gilt nur dann ausnahmsweise, wenn der Beweiswert einer vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert und eine Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse nicht möglich ist oder objektiv keine Klärung erwarten lässt.


Autorin: Dr. Maike Flink

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  • Rechtsanwältin

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