Umschwung in der Rechtsprechung: Gesellschafter haften nun doch für Kosten des Insolvenzverfahrens!

Urteil des BGH vom 21. November 2023 – II ZR 69/22

Die Folgen der Insolvenz einer Personengesellschaft waren schon bisher für ihre Gesellschafter keine angenehmen. Neben dem Wegfall einer wichtigen Einnahmequelle stellt insbesondere die persönliche, unmittelbare und gesamtschuldnerische Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ein enormes Risiko jedenfalls für die persönlich haftenden Gesellschafter dar. Dieses Haftungsrisiko verschärft sich nun durch einen weitreichenden Meinungsumschwung des BGH.

Gesellschafter haften nun doch für Kosten des Insolvenzverfahrens: Das Haftungsrisiko für Gesellschafter wird durch den BGH weiter verschärft.
Der BGH ändert seine Rechtsprechung zu der Haftung der Kosten des Insolvenzverfahrens (credits: adobestock).

Die Ausgangslage:

Der Insolvenzverwalter eines Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nimmt eine Gesellschafterin derselben auf

  • anteilige Rückzahlung einer zur Tabelle angemeldeten Darlehensforderung nebst diesbezüglicher Zinsforderung und
  • Zahlung der Kosten des Insolvenzverfahrens

in Anspruch. Das Insolvenzgericht hatte nicht zur Anmeldung nachrangiger Zinsforderungen aufgefordert. Das OLG Zweibrücken als Berufungsgericht wies die Klage des Insolvenzverwalters als unbegründet zurück. Der Kläger habe in die Forderungsberechnung Zinsforderungen eingestellt, zu deren Geltendmachung er nicht einziehungsbefugt sei. Der geltend gemachte Darlehensrückzahlungsanspruch sei daher insgesamt nicht schlüssig dargelegt worden. Hinsichtlich der Kosten des Insolvenzverfahrens verwies das Gericht auf die insoweit herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur und lehnte eine dahingehende Gesellschafterhaftung über § 128 HGB a.F. analog (jetzt: §§ 721 BGB für GbR, 126 HGB für OHG u. KG) ab.

Die Entscheidung des BGH:

Der BGH kassierte die Entscheidung des Berufungsgerichts (OLG Zweibrücken) in weiten Teilen. Zutreffend sei zunächst die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts gewesen, dass bei nachrangigen Zinsforderungen die Einziehungsermächtigung nach § 93 InsO nur eingreife, wenn diese auf eine besondere Aufforderung des Insolvenzgerichts hin zur Tabelle angemeldet worden seien. Allerdings habe dieser Umstand nicht die Unschlüssigkeit des Klageanspruchs im Gesamten zur Folge. Der Kläger verfüge über einen Anspruch auf anteilige Darlehensrückzahlung gem. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 128 HGB a.F. Der Anspruch erstrecke sich lediglich nicht auf die Zinsen.

Die eigentliche Brisanz verdankt das Urteil der Karlsruher Richter allerdings der Entscheidung hinsichtlich der persönlichen Haftung der Gesellschafterin analog § 128 HGB a. F. (jetzt: §§ 721 BGB für GbR, 126 HGB für OHG u. KG) für die Kosten des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft. Hierbei handelte es sich lange Zeit um eine der umstrittensten Fragen des gesellschaftsrechtlichen Insolvenzrechts.

Die herrschende Auffassung in der juristischen Fachliteratur und Rechtsprechung hatte bisher eine persönliche Haftung des Gesellschafters für die Kosten eines Insolvenzverfahrens abgelehnt. Dies leitete der IX. Zivilsenat des BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2009 noch selbst aus den §§ 26, 207 InsO ab (BGH, Teilurt. V. 24. 9. 2009 – IX ZR 234/07), in denen zum Ausdruck komme, dass die Kosten des Insolvenzverfahrens darauf angelegt seien, aus der Masse des insolventen Rechtsträgers beglichen zu werden. Denn mit Beginn des Insolvenzverfahrens würden die Gesellschafter durch den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse auf den Insolvenzverwalter ihre Möglichkeit, verlieren die entstehenden Kosten zu beeinflussen. Die Haftung für Insolvenzverfahrenskosten wurde im Wege einer teleologischen Reduktion vom Anwendungsbereich des § 128 HGB a.F. ausgenommen.

BGH verneint teleologische Reduktion

Dem folgt der II. Zivilsenat nach Absprache mit dem IX. Zivilsenat nicht. Anders als die bisherige Rechtsprechung und die herrschende Auffassung in der Literatur liegt nach Ansicht der Karlsruher Richter kein hinreichender Grund vor, der eine teleologische Reduktion tragen könne. Insbesondere lässt sich der II. Zivilsenat nicht von der bisher maßgeblichen Überlegung leiten, der Gesellschafter verliere im Insolvenzverfahren mit dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse auf den Insolvenzverwalter die Möglichkeit, Einfluss auf die weitere Entwicklung der Gesellschaft zu nehmen. Vielmehr seien die Kosten des Insolvenzverfahrens bereits bei der Insolvenzeröffnung angelegt, weil die Gesellschafter Einfluss auf die Entstehung des für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erforderlichen Eröffnungsgrunds hätten.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei das Ergebnis der wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft und stelle sich als Verwirklichung des von ihr auch im Interesse ihrer Gesellschafter eingegangenen unternehmerischen Risikos dar. Sie sei deshalb gerade nicht nur die Folge der Verwaltung durch den Insolvenzverwalter und entziehe sich daher nicht der Einflussmöglichkeit der persönlich haftenden Gesellschafter. Es gäbe daher auch keinen Grund, die Gesellschafter von dem Risiko der mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens untrennbar verbundenen Kosten des Insolvenzverfahrens freizustellen. Die persönlich haftenden Gesellschafter könnten die Entstehung der Verfahrenskosten zulasten der Gesellschaft vermeiden, indem sie ihr die für die Deckung der Gläubigerforderungen erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen oder frühzeitig die Liquidation der Gesellschaft beschließen. Würden sie dies nicht tun, stelle die Entstehung der Kosten des Insolvenzverfahrens grundsätzlich eine Verwirklichung des Unternehmerrisikos dar, das jedenfalls die persönlich haftenden Gesellschafter unter Inkaufnahme der persönlichen Haftung eingegangen seien.

Folgen des Urteils für die Praxis:

Nicht zu Unrecht wird die Entscheidung in der juristischen Fachliteratur als „Paukenschlag“ bezeichnet. Persönlich haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft (GbR, OHG, KG) haften in Zukunft nach § 721 BGB bzw. § 126 HGB persönlich für die Kosten eines Insolvenzverfahrens der Gesellschaft. Der Insolvenzverwalter muss diese Verfahrenskosten zukünftig auch verfolgen, andernfalls droht ihm seinerseits eine Schadensersatzpflicht aus § 60 InsO. Für die Gesellschafter einer Personengesellschaft besteht zukünftig daher ein erhebliches zusätzliches Haftungsrisiko im Falle der Insolvenz ihrer

Gesellschaft. Hinzu kommt, dass noch nicht abschließend geklärt ist, welche Positionen im Einzelnen unter die Insolvenzverfahrenskosten fallen. Ob diese auch Kosten erfassen, die auf der Fortführung des Unternehmens im Insolvenzverfahren beruhen, ließ der BGH in seiner Entscheidung ausdrücklich offen. Ebenso könnten die Kosten eines etwaigen Gläubigerausschusses in die Haftsumme einfließen. Klar ist jedenfalls die Botschaft der BGH-Richter an die Gesellschafter von Personengesellschaften: Wer als persönlich haftender Gesellschafter die Insolvenz der Gesellschaft nicht abwendet, muss auch die Kosten des Insolvenzverfahrens tragen. Den Betroffenen ist unter diesem Gesichtspunkt mehr denn je anzuraten, rechtzeitig auf erfahrene, professionelle Unterstützung zurückzugreifen und die drohende Gefahr einer Insolvenz der Gesellschaft nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.


Bei Fragen rund um die insolvenzrechtliche Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsleitern können Sie sich gerne an den Autor dieses Beitrages wenden.

Autor: Dr. Karl Brock

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Dr. Karl Brock
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Fachanwalt für Steuerrecht

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