Einberufung der Gesellschafterversammlung durch einen Unbefugten – unerheblicher Formmangel, Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund?

Urteil des BGH vom 16. Juli 2024 – II ZR 100/23

Im Juli 2024 entschied der BGH in einer viel beachteten Entscheidung (BGH, Urt. v. 16. Juli 2024 – II ZR 100/23) zum Beschlussmängelrecht in der Partnerschaftsgesellschaft. Viel beachtet wurde das Urteil der Karlsruher Richter nicht zuletzt deswegen, weil es das erste Urteil zum Beschlussmängelrecht der Personengesellschaften seit der tiefgreifenden Reform des Personengesellschaftsrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) zum 1. Januar 2024 war. Wenngleich die Neuregelungen des MoPeG im zu entscheidenden Fall noch keine Anwendung fanden, wirft der Sachverhalt aber einige Fragen für zukünftige Beschlussmängelklagen im GmbH-Recht und Personengesellschaftsrecht auf.

Der BGH hatte sich in einer aktuellen Entscheidung mit dem Beschlussmängelrecht in der Partnerschaftsgesellschaft befasst. Konkret ging es um die Einberufung der Gesellschafterversammlung durch einen Unbefugten.
Welche Folgen sieht das Beschlussmängelrecht bei der Einberufung der Gesellschafterversammlung durch einen Unbefugten vor? (credits: adobestock)

Der Sachverhalt:

Als Kläger trat der Gesellschafter einer Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB (Partnerschaftsgesellschaft) auf. Neben dem Kläger bildeten die vier Beklagten die weiteren Partner der Partnerschaftsgesellschaft. Nach deren Gesellschaftsvertrag war die Partnerversammlung von dem „Managing Partner“ einzuberufen. Die Einladung zur außerordentlichen Gesellschafterversammlung erfolgte indessen durch den Beklagten zu 4) mittels eines auch an den Kläger gerichteten Schreibens. Beim Beklagten zu 4) handelte es sich gerade nicht um den Managing Partner. Als Tagesordnungspunkt sah die Einladung den Ausschluss des Klägers vor. Auf der Partnerversammlung wurde sodann ein entsprechender Ausschließungsbeschluss in Abwesenheit des Klägers gefasst. Dieser erhob hiergegen Klage, gerichtet auf die gerichtliche Feststellung, dass der Ausschließungsbeschluss wegen fehlender Einberufungsbefugnis des Beklagten zu 4) nichtig sei.

Die Entscheidung:

Die zentrale Frage, die der BGH zu beantworten hatte, lag darin, ob der gerügte Mangel in Gestalt der fehlenden Einberufungsbefugnis des Beklagten zu 4) zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse führt. Insoweit bestand bis dato im Personengesellschaftsrecht für Verfahrensmängel eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass jeder Mangel eines Beschlusses zu dessen Nichtigkeit führe. Formelle Beschlussmängel hatten – nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung – nur dann die Nichtigkeit des gefassten Beschlusses zur Folge, wenn sie für den Beschluss „relevant“ waren. Es durfte zumindest nicht ausgeschlossen sein, dass das Zustandekommen des Beschlusses durch den Verfahrensmangel beeinflusst wurde. Diesen Maßstab legte sodann auch das OLG Frankfurt a.M. als Vorinstanz zugrunde und kam zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall nicht ersichtlich sei, dass eine fehlerfreie Einberufung zu einem abweichenden Ausschließungsbeschluss geführt hätte. Der Verfahrensmangel hätte also keine Relevanz für den gefassten Ausschließungsbeschluss gehabt. Letzterer sei in der Folge daher wirksam, so die Frankfurter Richter.

Dem folgte der BGH nicht und führte in seiner Entscheidung (BGH, Urt. v. 16. Juli 2024 – II ZR 100/23) aus:

Die Einberufung der Gesellschafterversammlung durch einen Unbefugten führt nach ständiger Rechtsprechung des BGH rechtsformübergreifend zur Unwirksamkeit der Einladung und zur Nichtigkeit der auf der Versammlung gefassten Beschlüsse.“

Der BGH sieht in der Einberufung durch einen Unbefugten keinen bloßen Formmangel, sondern vielmehr das Fehlen eines Mindesterfordernisses der Gesellschafterversammlung. Die Ladung durch einen Unbefugten stehe einer Nichtladung gleich. Sie könne durch den Empfänger unbeachtet bleiben, ohne dass diesem hieraus nachteilige Rechtsfolgen erwachsen dürften. Die Beachtung der Ladungsbefugnis diene der Sicherung des für jeden Gesellschafter unverzichtbaren Teilnahmerechts an der Gesellschafterversammlung und der damit verbundenen Einflussmöglichkeit auf die Willensbildung der Gesellschaft. Das Gewicht der drohenden Rechtsbeeinträchtigung durch eine Missachtung der Ladungsbefugnis führe zur Nichtigkeit der auf der betroffenen Versammlung gefassten Beschlüsse.

Ausblick: Änderungen der BGH-Grundsätze durch Inkrafttreten des MoPeG für Beschlussmängelstreitigkeiten ab dem 1. Januar 2024?

Der BGH stellte in seiner Entscheidung (BGH, Urt. v. 16. Juli 2024 – II ZR 100/23) ausdrücklich klar, dass er die Folgen des Einberufungsmangels am Stand des Personengesellschaftsrechts vor der Reform durch das MoPeG misst, weil der angegriffene Ausschließungsbeschluss vor dem 1. Januar 2024 gefasst worden sei und daher das Beschlussmängelrecht des MoPeG hier keine Anwendung finden würde.

Diese Aussage der BGH-Richter wirft aber nunmehr die Frage auf, ob nach der Einführung der Regelungen zu Beschlussmängeln bei Personenhandelsgesellschaften in den §§ 110 ff. HGB n.F. durch das MoPeG eine andere Bewertung der Folgen des Einberufungsmangels in zukünftigen Fällen ab Januar 2024 angezeigt ist.

Was spricht dafür?

Hierfür könnte der Wortlaut des § 110 Abs. 2 Nr. 1 HGB n.F. sprechen, wonach ein Gesellschafterbeschluss (nur dann) von Anfang an nichtig ist, wenn er durch seinen Inhalt Rechtsvorschriften verletzt, auf deren Einhaltung die Gesellschafter nicht verzichten können. Die Einberufung durch einen Unbefugten ist gerade kein inhaltlicher Mangel des Beschlusses und würde somit stets nur einen Anfechtungsgrund und keinen Nichtigkeitsgrund darstellen. Besondere Relevanz gewinnt diese Frage dadurch, dass nach der Gesetzesbegründung das Anfechtungsmodell aus den §§ 110 ff. HGB n.F. nicht nur für das Personengesellschaftsrecht gilt, sondern auch auf das Beschlussmängelrecht der GmbH „ausstrahlen“ soll.

Was spricht dagegen?

Hiergegen spricht allerdings bereits der unmissverständliche Hinweis des BGH, es handle sich bei der Einberufung durch einen Unbefugten gerade nicht um einen bloßen Formmangel. Mit der Einordnung der Einberufung durch einen hierzu befugten Gesellschafter als „Mindesterfordernis der Gesellschafterversammlung“ wird deutlich, dass diese sowohl zeitlich als auch rechtlich der Gesellschafterversammlung und somit auch den auf ihr gefassten Beschlüssen vorangestellt ist.

§ 110 Abs. 2 Nr. 1 HGB n.F. dürfte demzufolge keine Anwendung auf die Einberufung durch einen Unbefugten finden, weil sich der Anwendungsbereich der Norm lediglich auf die Gesellschafterversammlung beziehen dürfte. Insbesondere dürfte die Norm keine abschließende Regelung hinsichtlich der Nichtigkeitsgründe für Gesellschafterbeschlüsse darstellen. Die besseren Gründe sprechen mithin derzeit dafür, dass die Einberufung durch einen Unbefugten auch weiterhin einen Nichtigkeitsgrund darstellt – und zwar im GmbH-Recht sowie im Recht der Personengesellschaften.

Für die GmbH verweist der BGH in seiner Entscheidung (BGH, Urt. v. 16. Juli 2024 – II ZR 100/23) zudem ausdrücklich auf die ständige Rechtsprechung zur Übertragung der aktienrechtlichen Grundsätze zu Beschlussmängelstreitigkeiten. Die Nichtigkeit des auf der durch einen Unbefugten einberufenen Gesellschafterversammlung gefassten Beschlusses hat dort in §§ 241 Nr. 1, 121 Abs. 2 AktG ihren Niederschlag gefunden. Es erscheint daher naheliegend, dass auch die Rechtsprechung weiterhin davon ausgeht, dass § 110 Abs. 2 Nr. 1 HGB n.F. insoweit nichts an der bestehenden Rechtslage verändern wird.


Bei Fragen zum Beschlussmängelrecht und zu Gesellschafterstreitigkeiten können Sie sich gerne an den Autor dieses Beitrages wenden.

Autor: Dr. Karl Brock

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