05.12.2024 -
Viele Nießbraucher verzichten entgeltlich auf das Nießbrauchrecht. Welche Steuerfolge aber zieht der Verzicht gegen Entgelt nach sich? Der Bundesfinanzhofs (BFH) hat sich nun mit der steuerlichen Behandlung der entgeltlichen Ablösung eines Nießbrauchs an GmbH-Anteilen befasst.
Welche Steuerfolge zieht der Verzicht eines Nießbrauchs gegen Entgelt nach sich? (credits: adobestock)

Worum es geht: Nießbrauch und Verzicht auf den Nießbrauch

In vielen Fällen übertragen Eltern Ihren Kindern Vermögen unter Nießbrauchvorbehalt, seien es Immobilien oder Anteile an Personengesellschaften oder wie hier Kapitalgesellschaften (GmbH). Gar nicht so selten soll der Nießbrauch später aufgehoben werden, entweder unentgeltlich durch schlichten Verzicht auf den Nießbrauch oder entgeltlich gegen Zahlung einer Ablösesumme. Der unentgeltliche Verzicht auf den Nießbrauch ist schenkungsteuerpflichtig. Alternativ verzichten Nießbraucher entgeltlich auf ihr Nießbrauchrecht. Welche Steuerfolge aber zieht der Verzicht gegen Entgelt nach sich?

Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20.09.2024, IX R 5/24, befasst sich mit der steuerlichen Behandlung der entgeltlichen Ablösung eines Nießbrauchs an GmbH-Anteilen. Danach können schon kleine Unterschiede bei der Ausgestaltung des Nießbrauchs darüber entscheiden, wem Einkünfte zuzurechnen sind und ob eine Ablösezahlung zu versteuern ist oder nicht. Ein guter Grund, sich das Urteil näher anzusehen.

I. Sachverhalt

Die Klägerin hatte 2012 ihre Beteiligung an einer GmbH im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge unter Vorbehalt eines Nießbrauchs, der insbesondere das Gewinnbezugsrecht umfasste, unentgeltlich an ihren Sohn übertragen. Jahre später wurde dieser Nießbrauch gegen eine Ablösesumme aufgehoben. Das Finanzamt betrachtete die Ablösesumme als steuerpflichtige Einnahmen, die der Klägerin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zuzurechnen seien. Das angerufene Finanzgericht Nürnberg stellte fest, dass der Sohn im Jahr 2012 auch wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Geschäftsanteile geworden sei, die Klägerin also schon damals ihr zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum verloren hatte. Dennoch berücksichtigte das Finanzgericht (FG) die Ablösezahlung bei den Einkünften der Klägerin aus Kapitalvermögen. Dagegen wandte sich die Klägerin erfolgreich an den BFH.

II. Die Entscheidung des BFH

Der BFH hielt sich an die Feststellung des FG gebunden, wonach der Sohn bereits im Jahr 2012 wirtschaftliches Eigentum an den GmbH-Anteilen erlangt hatte. In den übrigen Punkten folgte der BFH der Argumentation des FG jedoch nicht, sondern hob das Urteil auf und wies die Klage ab.

Die wesentlichen Argumente des BFH können wie folgt zusammengefasst werden:

1. Keine Einkünfte aus Kapitalvermögen

Die Ablösezahlung ist nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Absatz 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG („Entschädigung“) zu versteuern.

a. Klarstellung: § 24 EStG regelt keine eigene Einkunftsart

Die Vorschrift des § 24 EStG hat keine die Einkünfte erweiternde, sondern stellt lediglich klar:

  • zu welcher Einkunftsart eine Entschädigung gehört,
  • dass eine Entschädigung nicht weitergehenden Voraussetzungen unterliegt als die Einkünfte, an deren Stelle sie tritt. Das heißt, die Entschädigung ist nur dann zu versteuern, wenn auch die ursprünglichen Einkünfte steuerbar gewesen wären.

Das könnten hier Einkünfte aus Kapitalvermögen (Dividenden, Ausschüttungen) sein, was der BFH mangels wirtschaftlichen Eigentums der Klägerin ablehnte. Denn …

b. Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt …

  • derjenige, der die rechtliche und tatsächliche Macht hat, das Kapitalvermögen (im Sinn von § 20 Absatz 1 Nr. 1 bis 7 EStG) entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen. Das ist bei einer GmbH in der Regel der Anteilseigner (§ 20 Absatz 5 Satz 1 und 2 EStG, § 39 Abs. 1 AO);
  • hiervon abweichend ein Nießbraucher als Gläubiger der Dividende/Ausschüttung, wenn ihm die Einnahmen gemäß § 20 Absatz 5 Satz 3 EStG zuzurechnen sind. Das ist der Fall, wenn ihm auch das wirtschaftliche Eigentum im Sinne von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO an den Geschäftsanteilen, an denen der Nießbrauch eingeräumt wurde, zusteht.

c. Wirtschaftliches Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil

Der BFH stellte klar, dass das steuerrechtlich relevante wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil auf den Erwerber übergeht, wenn er aufgrund eines bürgerlich-rechtlichen Rechtsgeschäfts eine rechtlich geschützte Position erlangt, die gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. Eine solche Rechtsposition kann auch ein Nießbrauchrecht vermitteln. Zu den wesentlichen Kriterien dieser Rechtsposition gehören

  • das Gewinnbezugsrecht,
  • das Stimmrecht sowie
  • das Risiko einer Wertminderung und die Chance auf Wertsteigerung.

Liegt der Nießbrauchberechtigung nur ein Anspruch auf das Gewinnbezugsrecht zugrunde, ohne eine entsprechende Kontrolle oder Verwaltungsrechte (bspw. Stimmrechtsvollmacht), geht das wirtschaftliche Eigentum nicht auf den Nießbrauchberechtigten über. Daswirtschaftliche Eigentum bleibt in einem solchen Fall beim zivilrechtlichen Anteilseigner der GmbH.

d. Keine Steuerpflicht bei fehlendem wirtschaftlichem Eigentum

Ohne wirtschaftliches Eigentum – oder anders ausgedrückt ohne Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle, die dem Nießbraucher entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft und dem zivilrechtlichen Gesellschafter insoweit gleichstellt – ist keine steuerliche Zurechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Absatz 1 Nr. 1 EStG möglich. Bei einem Nießbrauch, der sich lediglich auf das Gewinnbezugsrecht beschränkt, sind die daraus resultierenden Einnahmen steuerlich weiterhin dem Anteilseigner zuzurechnen, nicht jedoch dem Nießbrauchberechtigten.

Zwischenfazit:

Weil aber eine Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nur dann steuerbar ist, wenn sie für entgangene oder entgehende Einnahmen gezahlt wird, die selbst steuerbar wären, gilt folgerichtig:

  • Da die Einkünfte aus dem Nießbrauch aufgrund des fehlenden wirtschaftlichen Eigentums nicht steuerbar sind,
  • kann auch die Ablösezahlung keine steuerpflichtige Entschädigung sein.

2. Ablösezahlung führt nicht zu gewerblichen Einkünften

Die Ablösezahlung gehört im Gegensatz zur Auffassung des Finanzamts nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne von § 17 EStG (über § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG). Denn die Klägerin hatte bereits lange zuvor im Jahr 2012 das zivilrechtliche und das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen verloren hatte.

Einkünfte aus einer ehemaligen steuerbaren Tätigkeit § 24 Nr. 2 i.V.m. § 17 EStG scheiden ebenfalls aus. Aufgrund der Unentgeltlichkeit der Anteilsübertragung im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge im Jahr 2012 fehlt es bereits an der Verwirklichung von Einkünften im Sinne von § 17 EStG.

III. Fazit und Empfehlung

Der BFH entschied zugunsten der Klägerin, dass der Ablösebetrag für den Verzicht auf den Nießbrauch an einen Kapitalgesellschaftsanteil nicht steuerbar ist. Das Urteil verdeutlicht, dass das bloße Gewinnbezugsrecht bei einem Nießbrauch keine ausreichende Grundlage für die Begründung des wirtschaftlichen Eigentums darstellt. Um als wirtschaftlicher Eigentümer eingestuft zu werden, müssen auch wesentliche Verwaltungsrechte übertragen werden.

Werden ausreichende Mitverwaltungsrecht des Nießbrauchers vereinbart, ist er also wirtschaftlicher Eigentümer der Einkünftequelle, und verzichtet er anschließend gegen Entgelt auf sein Nießbrauchrecht, kann dieser Verzicht zu einer steuerpflichtigen Veräußerung der Beteiligung im Sinn des § 17 EStG führen

Auf die konkrete Ausgestaltung des Nießbrauchs kommt es an.

Kurz und bündig:

  • Wirtschaftliches Eigentum erfordert neben dem Gewinnbezugsrecht auch Verwaltungsrechte wie das Stimmrecht.
  • Bloßes Gewinnbezugsrecht reicht nicht aus, um den Nießbraucher zum wirtschaftlichen Eigentümer zu machen.
  • Ohne wirtschaftliches Eigentum erfolgt keine steuerliche Zurechnung der Einnahmen aus Kapitalvermögen auf den Nießbraucher.
  • Die Ablösesumme für den Verzicht auf den Nießbrauch ist nicht steuerbar, da es sich um eine private Vermögensumschichtung handelt.

Autor: RA & StB Andreas Jahn

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