MoPeG – Anfechtungs- statt Feststellungsmodell

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) zum 1. Januar 2024 kam es zu den weitreichendsten Veränderungen des Personengesellschaftsrechts seit Inkrafttreten des BGB im Jahre 1896. Neben den umfassenden Änderungen rund um die erstmals kodifizierte Rechtsfähigkeit der GbR bildet das neu gestaltete Beschlussmängelrecht für die Personenhandelsgesellschaften nach §§ 110 ff. HGB ein Kernstück der Reform. Dieses soll insbesondere in Sachen Effektivität und Rechtssicherheit eine Verbesserung bewirken. Daneben wurden erstmals Regelungen für den Ablauf einer Gesellschafterversammlung für die Personenhandelsgesellschaften kodifiziert.

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) zum 1. Januar 2024 wurde ebenfalls das Beschlussmängelrecht neu gestaltet
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem neu gestalteten Beschlussmängelrecht für Personenhandelsgesellschaften (credits: adobestock).

Rechtslage bei Beschlussmängeln in Personenhandelsgesellschaften bis Ende 2023

Nach der bisherigen Rechtslage hatten Mängel bei der Beschlussfassung unterschiedslos deren Nichtigkeit zur Folge. Da die mangelhaften Beschlüsse von Anfang an nichtig waren, konnte gerichtlich lediglich ihre Nichtigkeit festgestellt werden. Eine Differenzierung zwischen Anfechtbarkeit und Feststellung der Nichtigkeit, wie sie für Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) existiert, war dem Recht der Personengesellschaften bisher unbekannt. Dieses sog. Feststellungsmodell sah sich bereits seit längerem in der juristischen Fachliteratur deutlicher Kritik ausgesetzt. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit war die fehlende Befristung der Klagemöglichkeit der Gesellschafter ein zentraler Kritikpunkt aus der juristischen Fachliteratur und Praxis. Darüber hinaus machte die unterschiedslose Nichtigkeit der Beschlüsse als Mängelfolge eine Differenzierung nach Schwere der Beschlussmängel unmöglich und war damit in weiten Teilen nicht praktikabel.

Insbesondere für Gesellschaften in der verbreiteten Rechtsform der GmbH & Co. KG führte dies zu der widersprüchlichen Rechtsfolge, dass Beschlussmängel auf Ebene der KG unbefristet im Wege der Feststellungsklage nach § 256 ZPO zu beseitigen waren, während auf Ebene der Komplementär-GmbH Beschlüsse grundsätzlich innerhalb der aktienrechtlichen Monatsfrist mit einer Anfechtungsklage analog §§ 243 ff. AktG angegriffen werden mussten.

Neue Rechtslage seit 2024: Anpassung an das Beschlussmängelrecht der Kapitalgesellschaften

Mit dem MoPeG führt der Gesetzgeber nun auch für Beschlussmängelstreitigkeiten bei Personenhandelsgesellschaften das sog. Anfechtungsmodell in Orientierung an das Recht der Kapitalgesellschaften ein. Damit wird zukünftig auch bei OHG und KG nach Art des Mangels zwischen anfechtbaren und nichtigen Beschlüssen unterschieden. Die zentrale Norm hierfür bildet § 110 HGB. Dabei geht das Beschlussmängelrecht der Personenhandelsgesellschaften einen anderen Weg als das der Kapitalgesellschaften. Während letzteres eine abschließende Aufzählung der Nichtigkeitsgründe enthält, sind Gesellschafterbeschlüsse der OHG und KG nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 HGB nichtig, wenn sie gegen Rechtsvorschriften verstoßen, auf deren Einhaltung die Gesellschafter nicht verzichten können.

Der Begriff der Rechtsvorschriften erfasst dabei sowohl gesetzliche Regelungen als auch solche aus dem Gesellschaftsvertrag. Wie aus der Gesetzesbegründung hervorgeht, fallen hierunter nach Vorstellungen des Gesetzgebers jene Gesellschafterrechte, die der Disponibilität des Gesellschaftsvertrags entzogen sind. Diese umfassen grundsätzlich das Kontroll-, Informations- und Kündigungsrecht sowie das Teilnahmerecht an Gesellschafterversammlungen einschließlich des Rede- und Antragsrechts der Gesellschafter.

Welche Inhalts- und Verfahrensverstöße darüber hinaus einen Verstoß gegen diese unabdingbaren Recht darstellt, ist der Konkretisierung durch die Rechtsprechung überlassen. Insoweit bleibt die Herausbildung weiterer Fallgruppen in der Praxis abzuwarten. Wie auch im Beschlussmängelrecht der Kapitalgesellschaften ist zunächst von der Anfechtbarkeit des mangelbehafteten Beschlusses als gesetzliche Regelfolge auszugehen. Der anfechtbare Gesellschafterbeschluss ist im Gegensatz zu einem nichtigen Beschluss vollumfänglich wirksam, bis ihn ein Gericht infolge einer erfolgreichen Anfechtungsklage rechtskräftig für nichtig erklärt.

Bedeutung der Reform für bestehende Gesellschaftsverträge

Sofern bestehende Gesellschaftsverträge keine umfassenden Regelungen zu einem Beschlussmängelregime enthalten, gilt das neue gesetzliche Beschlussmängelrecht seit dem 1. Januar 2024 auch grundsätzlich für sämtliche Altverträge. Erachtet ein Gesellschafter einen Beschluss für mangelbehaftet, ist er folglich nunmehr gezwungen, diesen in der gesetzlichen Klagefrist von 3 Monaten vor Gericht anzufechten. Geschieht dies nicht, erwachsen die Beschlüsse mit Ablauf der Klagefrist in Rechtskraft. Zu einer Anfechtungsklage ist gem. § 111 Abs. 1 HGB jeder Gesellschafter befugt, der oder dessen Rechtsvorgänger im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Gesellschaft angehört hat.

Mit Blick auf das neue Beschlussmängelrecht ist eine Anpassung der bestehenden Gesellschaftsverträge zu empfehlen, um die gesetzlichen Regelungen für ein höheres Maß an Rechtssicherheit zu konkretisieren. Insoweit ist an die Nennung einzelner Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe oder entsprechende Heilungsvorschriften zu denken. Eine Verkürzung der Anfechtungsfrist ist nach § 112 Abs. 1 Satz 2 HGB auf einen Monat ist möglich. Anpassungen haben dabei stets in Ansehung der individuellen Gesellschaftsverhältnisse zu geschehen.

Neue Regelungen für Gesellschafterversammlungen und Gesellschafterbeschlüsse

Neben der umfassenden Reformation des Beschlussmängelrechts führt das MoPeG in § 109 HGB erstmals gesetzliche Regelungen zu dem Ablauf einer Gesellschafterversammlung und der Beschlussfassung ein. Nach § 109 HGB werden die Beschlüsse regelmäßig in Versammlungen gefasst, die durch den geschäftsführenden Gesellschafter formlos in einer angemessenen Frist einberufen werden. Die Beschlüsse sind grundsätzlich einstimmig zu fassen. Der Gesellschaftsvertrag kann dahingehend eine abweichende Regelung treffen, dass eine einfache Mehrheit zur Beschlussfassung genügt. In diesem Fall ist die Gesellschafterversammlung nach § 109 Abs. 4 HGB beschlussfähig, wenn die Mehrheit der Gesellschafter anwesend oder vertreten ist. Angesichts dieser weiterhin nur sporadischen Regelung zum Ablauf der Gesellschafterversammlung sind weitergehende Maßgaben durch den Gesellschaftsvertrag zu empfehlen. Diese sollten insbesondere eine verbindliche Frist für die Einladung zur Gesellschafterversammlung sowie zur Feststellung und Protokollierung der Beschlüsse vorsehen.

Fazit

Mit Blick auf das Beschlussmängelrecht kann der Wechsel vom Feststellungs- zum Anfechtungsmodell als eine Kehrtwende um 180 Grad bezeichnet werden mit weitreichenden Folgen für die Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften. Diese haben insbesondere im Blick zu behalten, dass die neuen Regelungen grundsätzlich ohne Übergangszeitraum seit dem 1. Januar 2024 für Altverträge gelten. Insoweit besteht Anpassungsbedarf, um das Beschlussmängelregime im Gesellschaftsvertrag möglichst effizient und rechtssicher auszugestalten. Auch mit den Regelungen zum Ablauf einer Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung betritt der Gesetzgeber Neuland im Personenhandelsgesellschaftsrecht. Hier fallen die Auswirkungen angesichts der geringen gesetzlichen Regelungsdichte jedoch gering aus. Auch insoweit sollte die Gelegenheit jedoch genutzt werden, bestehende Gesellschaftsverträge einer Revision zu unterziehen.


Bei Fragen zum neuen Personengesellschaftsrecht nach MoPeG können Sie sich gerne an den Autor dieses Beitrages wenden.

Autor: Dr. Karl Brock

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  • „MEYER-KÖRING ist besonders renommiert für die gesellschaftsrechtliche Beratung.“
    (JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022)

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