Wie muss ich gegen mangelbehaftete Gesellschafterbeschlüsse bei Personenhandelsgesellschaften seit Inkrafttreten des MoPeG vorgehen?
Seit dem 1. Januar 2024 richtet sich der Rechtsschutz gegen mangelbehaftete Gesellschafterbeschlüsse in Personenhandelsgesellschaften nicht mehr nach dem Feststellungs-, sondern nach dem aus dem Recht der Kapitalgesellschaften bekannten Anfechtungsmodell. Dies hat für die betroffenen Gesellschafter insbesondere zur Folge, dass mangelbehaftete Beschlüsse nun nicht – wie bisher – unterschiedslos nichtig sind, sondern in einer Vielzahl von Fällen gerichtlich angefochten werden müssen. Wonach sich die Unterscheidung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit richtet und wann eine Anfechtungsklage vor Gericht Erfolg hat, wird im Folgenden überblickartig erklärt.
Das Anfechtungsmodell: Nichtige und (nur) anfechtbare Gesellschafterbeschlüsse
Durch das seit dem 1. Januar 2024 geltende Anfechtungsmodell hat die Unterscheidung der Beschlussmängel für Gesellschafterbeschlüsse der Personenhandelsgesellschaften neue Bedeutung erlangt. Während nichtige Beschlüsse, wie bisher, von Anfang an keine Rechtskraft entfalten, sieht das Gesetz nunmehr in § 110 HGB als Regelfolge eines Beschlussmangels grundsätzlich die Anfechtbarkeit des Beschlusses vor. Damit ist der betroffene Beschluss zunächst vollumfänglich wirksam, bis ein Gericht seine Nichtigkeit in Folge einer erfolgreichen Anfechtungsklage feststellt. Wird innerhalb der gesetzlichen Klagefrist von 3 Monaten gem. § 112 Abs. 1 Satz 1 HGB (sofern nicht gesellschaftsvertraglich verkürzt auf bis zu einem Monat; vgl. § 112 Abs. 1 Satz 2 HGB) keine Anfechtungsklage gegen den Beschluss erhoben, erwächst dieser trotz etwaiger Mängel in Rechtskraft. Eine Geltendmachung von Mängeln nach Ablauf dieser Frist ist nicht mehr möglich.
Wann ist ein Beschluss nichtig und wann (nur) anfechtbar?
Das Gesetz geht in § 110 Abs. 1 HGB grundsätzlich von der Anfechtbarkeit eines Beschlusses aus. Von Anfang an nichtig ist gem. § 110 Abs. 2 Nr. 1 HGB hingegen nur ein Beschluss, der durch seinen Inhalt Rechtsvorschriften verletzt, auf deren Einhaltung die Gesellschafter nicht verzichten können. Die Gesetzesbegründung zählt insoweit ausdrücklich auf:
- das Kontrollrecht
- das Informationsrecht
- das Kündigungsrecht
- das Teilnahmerecht einschließlich des Rede- und Antragsrechts
Ob und wann bloße Verfahrensfehler geeignet sind, diese unverzichtbaren Rechte zu verletzen, ist bislang in der juristischen Fachliteratur noch sehr umstritten. Ebenso unklar ist, welche Beschlussmängel darüber hinaus derart gravierend sind, dass sie Rechtsvorschriften verletzen, auf deren Einhaltung die Gesellschafter nicht verzichten können. Hier liegt es an der Rechtsprechung entsprechende Maßstäbe zu erarbeiten. Es bleibt abzuwarten, ob sich im Verlaufe der Zeit entsprechende Fallgruppen herausbilden werden.
Was ist bei der Klageerhebung zu beachten?
Nach § 111 Abs. 1 HGB ist zur Klage jeder Gesellschafter befugt, der oder dessen Rechtsvorgänger im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Gesellschaft angehört hat. Weitere Regelungen zum Ablauf der Anfechtungsklage hat der Gesetzgeber in § 113 HGB getroffen. § 113 Abs. 1 HGB bestimmt eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. Nach § 113 Abs. 2 HGB ist die Klage gegen die Gesellschaft zu richten, die von ihrem geschäftsführungsbefugten Gesellschafter vertreten wird. Für den Fall, dass außer dem Kläger kein Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft befugt ist, wird die Gesellschaft von den anderen Gesellschaftern gemeinsam vertreten (§ 113 Abs. 2 Satz 2 HGB). Die Gesellschaft hat nach § 113 Abs. 3 HGB die Gesellschafter unverzüglich über die Klageerhebung und die Lage des Rechtsstreits zu informieren und das Gericht sodann über die erfolge Unterrichtung in Kenntnis zu setzen.
Welche Anfechtungsgründe kommen in Betracht?
Wie der Wortlaut des § 110 Abs. 1 HGB ausdrücklich postuliert, setzt ein Anfechtungsgrund stets die Verletzung von Rechtsvorschriften voraus. Beschlussmängel können sich aus der Verletzung von Verfahrensvorschriften einerseits und inhaltlichen Fehlern des Gesellschafterbeschlusses andererseits ergeben.
Als Anfechtungsgrund in Gestalt formeller Beschlussmängel kommen in Betracht die:
- Verletzung des Teilnahmerechts (z.B. zu Unrecht verweigerte Äußerung zu Tagesordnungspunkten; unrechtmäßiges Stimmverbot);
- Verletzung von Ladungsvorgaben (z.B. Nichteinhaltung der angemessenen Ladungsfrist nach § 109 Abs. 2 Satz 2 HGB bzw. der gesellschaftsvertraglich bestimmten Frist);
- Verletzung des Informationsrechts (z.B. rechtswidrige Verweigerung der Informationserteilung);
- Verletzung des Rechts auf Beziehung eines fachlichen Beistands (z.B. rechtswidrige Verweigerung, einen anwaltlichen Vertreter oder sonstigen fachlichen Beistand zu der Gesellschafterversammlung hinzuziehen);
- Verletzung von Verfahrensvorschriften (z.B. fehlerhafte Wiedergabe der Beschlussfeststellung im Protokoll);
- Teilnahme unberechtigter Dritter an der Gesellschafterversammlung (Personen zu Gesellschafterversammlung zugelassen, denen kein Teilnahmerecht zusteht);
Soweit ein inhaltlicher Verstoß gegen Rechtsnormen oder den Gesellschaftsvertrag nicht bereits zur Nichtigkeit des Beschlusses führt (§ 110 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB), macht er den Beschluss jedenfalls rechtswidrig und damit anfechtbar. Insofern existieren keine unbeachtlichen inhaltlichen Mängel.
Fazit
Die Einführung des Anfechtungsmodells für Gesellschafterbeschlüsse in Personenhandelsgesellschaften ab dem 1. Januar 2024 markiert einen Paradigmenwechsel im Beschlussmängelrecht der Personengesellschaften. Die neue Differenzierung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit schafft klare rechtliche Strukturen, erhöht jedoch die Anforderungen an die Gesellschafter und die Gesellschaft. Insbesondere die Notwendigkeit, innerhalb der dreimonatigen Klagefrist (sofern sie nicht gesellschaftsvertraglich auf bis zu einem Monat verkürzt wurde) Mängel gerichtlich geltend zu machen, macht eine frühzeitige Prüfung und Reaktion auf mögliche Beschlussfehler unerlässlich. Die Abgrenzung zwischen nichtigen und lediglich anfechtbaren Beschlüssen stellt aber eine Herausforderung dar, weil viele Fragen zur konkreten Auslegung noch ungeklärt sind. Hier wird es auf die Weiterentwicklung durch Rechtsprechung und juristische Praxis ankommen, um einheitliche Maßstäbe zu etablieren. Für die Praxis der Personenhandelsgesellschaften bedeutet das Anfechtungsmodell eine Stärkung der Rechtssicherheit durch die Beschränkung nachträglicher Mängelrügen. Gleichzeitig erfordert es von den Gesellschaftern ein hohes Maß an Sorgfalt, um formelle und inhaltliche Mängel rechtzeitig zu erkennen und effektiv anzugehen. Die Reform dient damit nicht nur der Harmonisierung mit dem Kapitalgesellschaftsrecht, sondern auch der Professionalisierung des Umgangs mit Gesellschafterbeschlüssen
Bei Fragen zum neuen Personengesellschaftsrecht nach MoPeG können Sie sich gerne an den Autor dieses Beitrages wenden.
Autor: Dr. Karl Brock
Auszeichnungen
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„MEYER-KÖRING ist besonders renommiert für die gesellschaftsrechtliche Beratung.“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022)
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