02.10.2024 -
Das LAG Nürnberg hat klargestellt, dass das Zugangsrecht der Gewerkschaft zum Betrieb kein digitales Zutrittsrecht zur Mitgliederwerbung enthält.
Haben Gewerkschaften ein digitales Zutrittsrecht um auf unternehmensinternen Plattformen Mitgliederwerbung zu betreiben? (credits:adobestock)

Gewerkschaften haben nach § 2 Abs. 2 BetrVG ein Zugangsrecht zum Betrieb. Zudem erfolgt die gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, dass diese Rechte keine digitalen Zutrittsrechte beinhalten (Landesarbeitsgericht Nürnberg v. 26.9.2023, 7 Sa 344/22). Die Entscheidung ist aktuell beim Bundesarbeitsgericht anhängig (1 AZR 33/24). Wir möchten uns daher auf die Kernaussagen des Landesarbeitsgerichts hier beschränken. Über die weitere Rechtsprechung werden wir berichten.

Der Fall (verkürzt):

Das beklagte Unternehmen stellt Sportartikel her. Es werden über 5.000 Mitarbeiter beschäftigt. Im Unternehmen existieren zahlreiche Betriebsvereinbarungen zu modernen Arbeitsformen wie mobiles Arbeiten, desk sharing, clean desk, der Nutzung von E-Mail und Internet, etc.. Viele Mitarbeiter sind mit elektronischen Endgeräten und eigenen E-Mail-Adressen ausgestattet. Sie haben Zugriff auf das Intranet und können sich dort informieren. Zudem nutzen die Mitarbeiter die Anwendung „Yammer“ aus dem Paket Microsoft Office 365 und können darüber untereinander in Kontakt treten.

Die tarifzuständige Gewerkschaft beantragte zunächst unmittelbar bei dem Arbeitgeber vor dem Hintergrund der Pandemie und der fortschreitenden Digitalisierung Zugang zur unternehmensinternen Kommunikation via E-Mail und Intranet. Sie beantragte zudem eine eigene Rubrik mit Verlinkung an prominenter Stelle, beispielsweise auf der Startseite des Intranets. Ferner beantragte die Gewerkschaft einen eigenen E-Mail-Account und die Möglichkeit der Kommunikation mit allen Mitarbeitern. Das Unternehmen lehnte alles ab.

Daraufhin leitete sie ein Klageverfahren gerichtet auf die Herausgabe aller dienstlichen E-Mail-Adressen der Mitarbeiter ein. Es wurden noch zahlreiche weitere Ansprüche, z.B. die Einrichtung eines Zugangs zur Nutzung der Applikation „Yammer“ und die Verlinkung im Intranet geltend gemacht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage umfassend abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht ebenfalls sämtliche Ansprüche abgelehnt.

I. Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften

Nach der ständigen Rechtsprechung gehört zu der durch Art. 9 Abs. 3 geschützten koalitionsspezifischen Betätigung einer Gewerkschaft auch die Mitgliederwerbung in den Beschäftigungsbetrieben. Bei der Durchführung von Werbe- und Informationsmaßnahmen in den Beschäftigungsbetrieben ist die Mitwirkung des Arbeitgebers erforderlich, der dafür Zutritt zum Betrieb gewähren und den Aufenthalt im Betrieb dulden muss. Dies kann zu einer Kollision mit dem ebenfalls grundgesetzlich geschützten Haus- und Eigentumsrecht führen. Diese kollidierenden Grundrechte sind dann gegeneinander abzuwägen. Das ist die Aufgabe der Gerichte.

II. Keine Ansprüche auf digitalen Zutritt!

Das Landesarbeitsgericht hat jedwede digitalen Zutrittsrechte abgelehnt. Die Voraussetzungen für eine zwingend notwendige und erforderliche Mitgliederwerbung über diesen Weg liegen nach Ansicht des LAG nicht vor. Zudem stünden dem auch datenschutzrechtliche Erwägungen entgegen. Dem Arbeitgeber würde damit auch ein unnötig hoher Aufwand aufgebürdet. Der Verteiler wäre ständig nachzupflegen, gerade in einem Betrieb mit über 5.000 Mitarbeitern ergäben sich täglich personelle Veränderungen durch Ausscheiden und Neueintritte. Die Mitgliederwerbung der Gewerkschaft würde dazu auch nicht unverhältnismäßig beschränkt.

Fazit:

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend die Herausgabe aller dienstlichen E-Mail-Adressen der Mitarbeiter abgelehnt. Es besteht auch kein Anspruch auf Zugang zu einem firmeninternen sozialen Netzwerk. Das Verfahren ist beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 1 AZR 33/24 anhängig, wir werden über die weitere Entwicklung der Rechtsprechung berichten.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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