25.09.2024
Sind die Vertretungsverhältnisse unklar, können Kündigungen nach § 174 BGB zurückgewiesen werden. Die berechtigte Zurückweisung führt zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung!
Eine berechtigte Zurückweisung führt zur Unwirksamkeit der Kündigung. Worauf ist bei einer Kündigung zu achten, um eine solche Zurückweisung zu verhindern? (credits: adobestock).

In der Praxis kommt es immer wieder zu Fallkonstellationen, in denen nicht die vertretungsberechtigten Organe des Unternehmens (Vorstand oder Geschäftsführung) eine Kündigung unterzeichnen, sondern bevollmächtigte andere Personen. Sind die Vertretungsverhältnisse unklar, können Kündigungen nach § 174 BGB zurückgewiesen werden. Die berechtigte Zurückweisung führt zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung! Das LAG Nürnberg hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, dass die Bezeichnung als „kommissarische Personalleiterin“ insoweit unklar ist (Landesarbeitsgericht Nürnberg v. 11.12.2023, 1 Sa 164/23). Wir möchten die Entscheidung zum Anlass nehmen, die wichtigen und fehleranfälligen Grundsätze hier darzustellen.

Der Fall:

Die gekündigte Mitarbeiterin war bereits seit 1.9.2015 als Referentin Arbeitsrecht und Syndikusanwältin bei dem beklagten Unternehmen beschäftigt.

Das Unternehmen kündigte mit zahlreichen Schreiben das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos. Wir verzichten hier auf eine Darstellung der jeweiligen Kündigungsgründe, da Gegenstand des Verfahrens und der hier zu besprechenden Entscheidung ausschließlich die Berechtigungen der unterzeichnenden Personen zum Ausspruch der Kündigung waren.

Die Kündigungen sind jeweils unterzeichnet durch einen Vorstand und einer weiteren Mitarbeiterin. Die weitere Mitarbeiterin unterzeichnete dabei mit dem Zusatz „i.V., kommissarische Personalleitung“.

Die Klägerin hat die Kündigungen innerhalb einer Woche nach § 174 BGB mit der Begründung zurückgewiesen, sie beanstande die von der kommissarischen Personalleiterin behauptete Vertretungsmacht. Eine Vollmacht sei den Kündigungsschreiben nicht beigefügt worden.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungen für unwirksam erklärt.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Kündigungsberechtigung

Zunächst ist festzustellen, dass die Kündigungsberechtigung gesetzlich ausschließlich bei den Organvertretern der Gesellschaft liegt. Soll das Kündigungsrecht auf weitere Personen übertragen werden, geht dies nur über den Weg einer Vollmacht. So kann z.B. auch eine dritte Person eine Kündigung unterzeichnen, wenn eine Original Vollmacht beigefügt wird. Diese Kündigungsvollmacht muss dann aber von den Kündigungsberechtigten im Original unterzeichnet werden.

II. Gesamtvertretung beachten!

In vielen größeren Unternehmen ist die sogenannte Gesamtvertretung im Handelsregister eingetragen. Gesamtvertretung bedeutet, dass nicht nur ein Geschäftsführer oder ein Vorstand allein unterzeichnen darf, sondern immer eine doppelte Unterschrift eines weiteren Organs notwendig ist oder aber alternativ ein Organ mit einem Prokuristen. In Fällen dieser Gesamtvertretung müssten dann also beide Personen die Kündigung und auch die Vollmacht unterzeichnen. Anderenfalls kann wieder eine Zurückweisung nach § 174 BGB ausgesprochen werden.

III. Ausnahme Im-Kenntnis-Setzen von der Kündigungsberechtigung

Das Gesetz sieht eine Ausnahme von den vorgenannten Grundsätzen in § 174 S. 2 BGB vor. Danach ist die Zurückweisung einer Kündigung wegen fehlender Bevollmächtigung dann ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen (= Arbeitnehmer) von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte. Das wird regelmäßig bei Personalleitern oder Personalleiterinnen angenommen, weil man hier davon ausgeht, dass mit dieser Position üblicherweise auch ein Kündigungsrecht verbunden ist.

Aber: Die interne Übertragung einer solchen Position reicht nicht aus. Erforderlich ist, dass sie auch nach außen im Betrieb ersichtlich ist. Dafür, dass eine bestimmte Person eine Stellung innehat, aus der auch ohne Bekanntmachung im Betrieb für die Beschäftigten eine Kündigungsbefugnis ersichtlich ist, ist der Arbeitgeber umfassend darlegungs- und beweispflichtig.

IV. Kommissarische Personalleitung nicht ausreichend

Das LAG hat zutreffend ausgeführt, dass sich aus der im Kündigungsschreiben genutzten Bezeichnung der „kommissarischen Personalleitung“ ein Kündigungsrecht nicht ableiten lässt. Zudem ist auch die in der Unterschrift aufgeführte Abkürzung „i.V.“ nicht aussagekräftig. Vielmehr lässt gerade dieser Zusatz darauf schließen, dass sie offenbar nicht ohne Weiteres eine solche Position innehat.

Damit hätte die kommissarische Personalleiterin eine Original Vollmacht beifügen müssen. Dies hatte sie nicht getan. Die Kündigung wurde innerhalb in der notwendigen Wochenfrist zeitnah von der gekündigten Arbeitnehmerin nach § 174 BGB zurückgewiesen. Dies führte dann zur Unwirksamkeit der Kündigung. Die Tatsache, dass zusätzlich ein Vorstandsmitglied unterzeichnet hatte, änderte daran nichts. Im Handelsregister war nämlich die oben ausgeführte Gesamtvertretung vorgesehen. Es hätte daher ein weiteres Vorstandsmitglied oder jedenfalls ein Prokurist mitunterzeichnen müssen.

Fazit:

Bei dem Ausspruch von Kündigungen ist nicht nur auf die Einhaltung aller relevanten Fristen zu achten. Besondere Sorgfalt ist auch auf die Frage zu verwenden, wer die Kündigung unterzeichnet und ob ggf. Original Vollmachten beigefügt werden müssen. Fehlt es an schriftlichen Vollmachten, können Kündigungen nach § 174 BGB zurückgewiesen werden. Die ausgesprochene Kündigung ist dann unheilbar unwirksam. Wichtige Fristen können dann bereits bei einer wiederholten Kündigung abgelaufen sein. Auf die Prüfung der Unterschriftenbefugnisse ist daher besondere Sorgfalt zu verwenden.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen