24.07.2024 -
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hatte zu entscheiden, ob die zusätzliche Anerkennung einer Betriebszugehörigkeit zum Ausschluss der Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) und damit zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes führt.
Kann die Anerkennung der Betriebszugehörigkeit bei Einstellung im Arbeitsvertrag zur Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes führen? (credits: adobestock)

Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) greift bekanntlich erst nach einer Wartezeit von sechs Monaten, § 1 Abs. 1 KSchG. Wird bei der Einstellung lediglich auf eine Probezeit verzichtet, führt dies noch nicht zwingend zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hatte sich nun mit der praxisrelevanten Frage zu befassen, ob die zusätzliche Anerkennung einer Betriebszugehörigkeit zum Ausschluss der Wartezeit und damit zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes führt (LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 10.01.2023, 2 Sa 74/22). Die Entscheidung beinhaltet wichtige Hinweise für die Vertragsgestaltung.

Der Fall (verkürzt):

Der im September 1968 geborene, verheiratete, einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit dem 1.8.1995 bei der Arbeiterwohlfahrt beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis bestand bis zum 19.2.2021 zur AWO M gGmbH. Dieses Arbeitsverhältnis wurde zum 19.2.2021 durch Aufhebungsvertrag beendet.

Die Parteien schlossen dann gleichzeitig einen neuen Arbeitsvertrag zu einer anderen Gesellschaft, der AWO V gGmbH. Unter Ziffer 3. dieses neuen Arbeitsvertrages vereinbarten die Parteien folgendes:

„3. Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses/Betriebszugehörigkeit

(1) Das Arbeitsverhältnis beginnt am 20.2.2021 und ist unbefristet.

(2) Dieser Vereinbarung wird eine Betriebszugehörigkeit seit dem 1.8.1995 zu Grunde gelegt.

(3) Eine Probezeit existiert nicht.“

Der Kläger wurde noch innerhalb von sechs Monaten nach Begründung dieses Arbeitsvertrages am 17.8.2021 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.3.2022 gekündigt.

Gegenstand des Kündigungsverfahrens war dabei u.a. die hier zu besprechende konkrete Frage, ob die Kündigung noch innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes erfolgt ist. Dies hätte dann zur Folge gehabt, dass eine soziale Rechtfertigung nach dem Kündigungsschutzgesetz für die hilfsweise ordentliche Kündigung nicht hätte geprüft werden müssen.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung verurteilt.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das LAG die Entscheidung bestätigt. Das Arbeitsverhältnis unterlag der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes.

I. Ausschluss Probezeit allein reicht nicht aus

Die Parteien haben in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart, dass eine Probezeit nicht „existiert“. Dies allein ist noch nicht ausreichend. Bestehen im Hinblick auf die Verkürzung über den Ausschluss der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG keine weiteren Anhaltspunkte, so führt der Ausschluss einer Probezeit noch nicht isoliert dazu, den Kündigungsschutz auch schon ohne Erfüllung der Wartezeit zur Anwendung zu bringen. Die Rechtsprechung lässt den Ausschluss der Probezeit isoliert daher nicht genügen. Der Ausschluss der Probezeit führt allein dazu, dass die kürzeren Probezeitkündigungsfristen nicht gelten. Das Kündigungsschutzgesetz greift in solchen Fällen dennoch erst nach Erfüllung der sechsmonatigen Wartezeit.

Hinweis für die Praxis:

Diese Rechtsprechung ist vielen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht bekannt. Der Verzicht auf eine Probezeit reicht für eine Verkürzung der Wartezeit nicht aus. Soll bereits ab dem ersten Tag des Beginns eines Arbeitsverhältnisses das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finden, muss dies so ausdrücklich positiv vereinbart werden.

II. Anerkennung der Betriebszugehörigkeit führt zur Verkürzung der Wartezeit!

Die Parteien haben im vorliegenden Fall aber auch die in dem vorherigen Arbeitsverhältnis bei einer anderen Gesellschaft der AWO erbrachte Betriebszugehörigkeit seit dem 1.8.1995 anerkannt. Damit haben die Parteien bestimmt, dass sich die Anerkennung der Betriebszugehörigkeit auf das gesamte Arbeitsverhältnis bezieht und nicht lediglich Bedeutung für eine Kündigungsfrist haben soll. Der Wortlaut ist insoweit eindeutig und wird durch die Regelung zur Probezeit gestützt.

Die Parteien wollten hier den erworbenen Besitzstand fortsetzen und anerkennen. Damit haben sie insbesondere im Hinblick auf die erforderliche Wartezeit konkludent die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes vereinbart.

Fazit:

Die Entscheidung macht deutlich, dass nur eindeutige und klare Vereinbarungen zum gewünschten Ergebnis führen. Mitarbeiter, die sich bei einem Wechsel z.B. auch nur innerhalb eines Konzerns ihren Besitzstand erhalten möchten, müssen dies ausdrücklich vereinbaren. Der insolierte Verzicht auf eine Probezeit reicht dazu nicht aus. Die Betriebszugehörigkeit muss anerkannt werden und idealerweise vereinbart man zusätzlich die weitere Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes.  


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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