Nach langem Ringen: Die EU-Lieferkettenrichtlinie kommt nun doch! Was steckt noch drinnen im abgeschwächten Entwurf?
Die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) stellt das wohl intensiv diskutierteste Gesetzesvorhaben der aktuellen europäischen Legislaturperiode dar. Nachdem zeitweise aufgrund der verweigerten Zustimmung der deutschen Bundesregierung viele Zeichen darauf hindeuteten, dass das Vorhaben gänzlich scheitern würde, findet nun ein zwei Jahre andauerndes Gesetzgebungsverfahren ein Ende. Mit einer Mehrheit von 374 Abgeordneten stimmte das Europäische Parlament am 24. April 2024 dem im Vergleich zur Ursprungsfassung deutlich abgeschwächten Gesetzesentwurf zu.
Welche Veränderungen wurden in der finalen Fassung vorgenommen?
Die größten Veränderungen wurden mit Blick auf die betroffenen Unternehmen vorgenommen. Der Ursprungsentwurf sah noch Schwellenwerte von 500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 150 Mio. Euro vor. In der verabschiedeten Fassung wurden diese nun durch Schwellenwerte von zunächst 5.000 Arbeitnehmern und einen Jahresumsatz von 1,5 Mrd. Euro ersetzt. Bis 2029 sollen diese auf 1.000 Mitarbeiter und einen Umsatz von 450 Mio. Euro stufenweise abgesenkt werden. Damit bewegt sich die finale Fassung nunmehr in gänzlich anderen Sphären als der Ursprungsentwurf. Die im Ursprungsentwurf vorgesehene Sonderregelung für Unternehmen aus sogenannten Hochrisikosektoren ab 250 Mitarbeitern taucht ebenfalls nicht mehr auf.
Darüber hinaus wurden die Unternehmenspflichten im Bereich der sogenannten Downstream-Aktivitäten angepasst. Die umfassen nunmehr die Bereiche des Transportes, Vertriebs und der Lagerung, nicht jedoch die Bereiche des Verbrauchs und der Entsorgung.
Inwieweit muss das deutsche Lieferkettengesetz angepasst werden?
Ab Januar 2024 treffen die Pflichten aus dem deutschen Lieferkettengesetz (LkSG) Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Insoweit ist zu erwarten, dass die Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie dahingehend erfolgt, dass unmittelbar an den strengeren Schwellenwert von 1.000 Mitarbeitern aus dem LkSG angeknüpft wird. Darüber hinaus sind die Sorgfaltspflichten auf die sogenannten Downstream-Aktivitäten des Transports, Vertriebs und der Lagerung zu erweitern.
Mit der zivilrechtlichen Haftung für lieferkettenrechtliche Verstöße hat es zudem eine zentrale Verschärfung im Vergleich zum deutschen Lieferkettengesetz (LkSG) aus dem Ursprungsentwurf in den finalen Gesetzestext geschafft. Nach dem bisher geltenden deutschen Lieferkettengesetz mussten die verpflichteten Unternehmen bei entsprechenden Sorgfaltspflichtverletzungen allein das Einschreiten der Aufsichtsbehörde fürchten. Nunmehr droht neben diesen Konsequenzen künftig eine zivilrechtliche Haftung auf Schadensersatz.
Welche Folgen hat die finale Fassung der Richtlinie für kleinere und mittelständische Unternehmen?
Angesichts der nunmehr im Vergleich zum Ursprungsentwurf deutlich erhöhten Schwellenwerte können kleine und mittelständische Unternehmen nunmehr insoweit aufatmen, als dass sie nicht unmittelbar in den Adressatenkreis der EU-Lieferkettenrichtlinie fallen. Allerdings bedeutet dies nicht, dass sie von den lieferkettenrechtlichen Pflichten gänzlich unbehelligt bleiben. Werden sie als Zulieferer oder sonstige Geschäftspartner für große Unternehmen tätig, sind diese verpflichtet, die Erfüllung der lieferkettenrechtlichen Standards auch bei ihren Geschäftspartnern sicherzustellen (sog. Vertragskaskade bzw. Trickle-Down-Effekt). Um die neue zivilrechtliche Haftung zu vermeiden, werden sich die betroffenen Unternehmen vertragliche Zusicherungen zur Einhaltung der lieferkettenrechtlichen Sorgfaltspflichten geben lassen. Auf diese Weise kommt es zur mittelbaren Erfassung der kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Fazit und Ausblick
Nachdem die EU-Lieferkettenrichtlinie nun also doch verabschiedet wurde, bleiben dem nationalen Gesetzgeber zwei Jahre für die Umsetzung. Somit werden die erfassten Unternehmen, jedoch über die mittelbare Erfassung auch kleine und mittelständische Unternehmen ab dem Frühjahr 2026 vor neuen bürokratischen wie finanziellen Herausforderungen stehen. Nicht zuletzt besteht mit Blick auf die neu eingeführte zivilrechtliche Haftung ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit. Um Pflichtverletzungen zu vermeiden und die erforderlichen organisatorischen wie rechtlichen Anpassungen vorzunehmen, ist es daher ratsam, frühzeitige Anpassungen vorzunehmen und Rechtsrat einzuholen.
Bei Fragen zur Lieferketten-Compliance oder insgesamt zum Thema „Environmental, Social & Governance“ (ESG) können Sie sich gerne unmittelbar an Dr. Karl Brock wenden.
Autor: Dr. Karl Brock
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„Mit ihrer Weitsicht [beim Thema ESG] ist [MEYER-KÖRING] weiter als viele Wettbewerber.“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022/23)
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