02.05.2024 -
Welchen Einfluss hat die teilweise Cannabislegalisierung auf das Arbeitsrecht? – Erfahren Sie hier, was Arbeitgeber beachten sollten (credits: adobestock).

Seit der teilweisen Legalisierung von Cannabis zum 1. April 2024 herrscht für viele Arbeitgeber Unsicherheit, wie sie mit einem etwaigen Cannabiskonsum ihrer Arbeitnehmer umgehen sollen. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über das richtige Vorgehen im Falle des Konsums der nunmehr teilweise legalen Droge im Arbeitsverhältnis:

Darf der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern den Konsum von Cannabis verbieten?

Auf dem Betriebsgelände dürfen Arbeitgeber ohne Weiteres den Konsum auch von legalen berauschenden Mitteln, d.h. auch von Cannabis untersagen. Das gilt nicht nur in Bereichen mit besonderen Sicherheitsvorgaben (z.B. beim Führen von Kraftfahrzeugen oder der Bedienung von Maschinen), sondern auch für Tätigkeiten, bei denen die Arbeitsleistung theoretisch auch nach dem Konsum geringer Mengen berauschender Mittel noch erbracht werden kann. Der Arbeitgeber kann ein absolutes Alkohol- oder Cannabisverbot anordnen.

Ist ein Betriebsrat gebildet, muss dieser allerdings beteiligt werden, da es sich sowohl um eine Frage der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens des Arbeitnehmers (§ 87 I Nr. 1 BetrVG) als auch um eine Regelung über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften (§ 87 I Nr. 7 BetrVG) handelt.

Was gilt, wenn sich der private Konsum auf das Arbeitsverhältnis auswirkt?

Ob Arbeitnehmer in ihrer Freizeit Cannabis konsumieren, können Arbeitgeber hingegen nicht kontrollieren. Mit der weitgehenden Legalisierung von Cannabis wird dessen privater Konsum künftig zu behandeln sein wie privater Alkoholkonsum.

Die Grenze des zulässigen Privatkonsums ist allerdings dort erreicht, wo das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird. Konsumieren Arbeitnehmer öffentlich Cannabis, während sie noch ihre Dienstkleidung tragen, kann dies unter Umständen ein negatives Bild auf den Arbeitgeber werfen. Auch die private Nutzung des Dienstwagens unter Einfluss von Cannabis kann wegen der damit verbundenen Gefahr für das Eigentum des Arbeitgebers das Ergreifen arbeitsrechtlicher Konsequenzen rechtfertigen.

Deutlicher wird das Bild noch, wenn Arbeitnehmer berauscht zur Arbeit erscheinen, unmittelbar vor oder in der Mittagspause Cannabis rauchen. Denn in diesem Fall kann die Erbringung der Arbeitsleistung durch den privaten Konsum beeinträchtigt werden. Das gilt insbesondere bei gefahrgeneigten Tätigkeiten. Arbeitnehmer dürfen sich durch den Konsum berauschender Mittel nicht in einen Zustand versetzen, in dem sie sich oder andere gefährden können oder nicht mehr in der Lage sind, ordnungsgemäß zu arbeiten. Das bedeutet: Arbeitnehmer dürfen zwar in ihrer Freizeit Cannabis konsumieren, die Wirkung muss bei Dienstbeginn aber vollständig verflogen sein.

Was kann der Arbeitgeber tun, wenn Arbeitnehmer berauscht zur Arbeit erscheinen?

Erscheinen Arbeitnehmer berauscht zur Arbeit oder konsumieren während der Arbeitszeit Cannabis, gilt: Beeinträchtigt der Cannabis-Konsum die Arbeitsleistung, dann kann der Arbeitgeber arbeitsrechtliche Konsequenzen ergreifen. Diese können von der Erteilung einer Abmahnung bis zur außerordentlichen Kündigung reichen.

Welche Maßnahme angemessen ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab: Ein einmalig leicht berauschter Büromitarbeiter wird tendenziell „nur“ abzumahnen sein, da durch seinen Rausch im Regelfall keine Gefahren für ihn oder andere entstehen. Ein berauschter Busfahrer hingegen riskiert nicht nur seine eigene Sicherheit, sondern auch die der Fahrgäste und der übrigen Verkehrsteilnehmer. In diesem Fall kann daher sogar bei einmaligem Fehlverhalten eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein.

Erscheinen Arbeitnehmer wiederholt unter Einfluss von Cannabis zu Arbeit, kann, jedenfalls, wenn das Fehlverhalten zuvor abgemahnt wurde, zudem eine ordentliche Kündigung in Betracht kommen. Ist der Arbeitnehmer suchtkrank, handelt es sich um eine personenbedingte, im Übrigen um eine verhaltensbedingte Kündigung.

Erforderlich ist jedoch stets, dass sich der Cannabis-Konsum entweder konkret auf das Arbeitsverhältnis auswirkt oder der Arbeitnehmer gegen ein ausdrückliches Verbot des Arbeitgebers verstößt.

Was können Arbeitgeber tun, wenn sie den Verdacht haben, dass ein Arbeitnehmer berauscht zur Arbeit erscheint?

Besonders problematisch sind schließlich Fälle, in denen Arbeitgeber zwar den Verdacht haben, dass ein Arbeitnehmer Cannabis konsumiert, diesen allerdings nicht nachweisen kann.

Anordnung von Drogentests durch den Arbeitgeber?

Drogentests darf der Arbeitgeber, auch dann, wenn sie durch einen Arzt durchgeführt werden, nicht gegen den Willen des Arbeitnehmers anordnen. Eine Teilnahmepflicht der Arbeitnehmer besteht grundsätzlich nicht. Ausnahmen können nur dann gelten, wenn durch Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag eine verpflichtende Teilnahme an Drogentests vereinbart wurde. Dies ist jedoch wiederum nur dann möglich, wenn hieran ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht. Dies ist beispielsweise bei Arbeitnehmern der Fall, die im sicherheitsrelevanten Bereich arbeiten. Im Übrigen dürfen Arbeitnehmer die Teilnahme an Drogentest verweigern. Erklären Arbeitnehmer sich auf entsprechende Nachfrage zur freiwilligen Teilnahme an entsprechenden Tests bereit, können diese jedoch ohne Weiteres durchgeführt werden.

Weigern Arbeitnehmer sich, an freiwilligen Drogentests teilzunehmen, kann dies hingegen unter Umständen als Indiz für das Vorliegen eines Drogenmissbrauchs gewertet werden. Allein auf die Verweigerung der Teilnahme an einem Drogentest können arbeitsrechtliche Konsequenzen allerdings in der Regel nicht gestützt werden. Vielmehr bedarf es hierfür, sofern ein Nachweis des Rauschzustandes nicht möglich ist, mehrerer Indizien. Daher sollten Arbeitgeber einen entsprechenden Verdacht sowie die diesen begründenden Beobachtungen genau dokumentieren. Nur so können arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zur (Verdachts-)Kündigung möglichst rechtssicher vorbereitet werden.

Zweifel an der Arbeitsfähigkeit

Bestehen Zweifel an der Arbeitsfähigkeit des Mitarbeiters, sollte der Arbeitgeber diesen nach Hause schicken. Denn beschäftigt der Arbeitgeber einen erkennbar berauschten Arbeitnehmer und kommt es infolge des Rauschs zu einer Verletzung Dritter, drohen auch dem Arbeitgeber Schadensersatzforderungen oder sogar strafrechtliche Konsequenzen. Außerdem kann der Versicherungsschutz durch die Berufsgenossenschaft entfallen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer beschäftigt hat, obwohl dieser erkennbar nicht in der Lage war, seine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen.

Ist der Arbeitnehmer erkennbar rauschbedingt nicht mehr in der Lage, seine Arbeitsleistung zu erbringen, kommt sogar eine unbezahlte Freistellung in Betracht. Da der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft bei erkennbarem Rausch gar nicht ordnungsgemäß anbietet, besteht – jedenfalls bis zum Abklingen des Rauschzustandes – kein Annahmeverzug des Arbeitgebers, wenn er sich weigert, den Arbeitnehmer in diesem Zustand zu beschäftigen.

Fazit

Arbeitgeber müssen den Konsum von Cannabis durch ihre Arbeitnehmer auch nach dessen teilweiser Legalisierung nicht einschränkungslos hinnehmen. Jedenfalls auf dem Betriebsgelände kann der Konsum durch den Arbeitgeber vollständig untersagt werden. Zwar kann der Arbeitgeber das private Konsumverhalten grundsätzlich nicht beeinflussen. Wirkt sich dieses allerdings konkret auf das Arbeitsverhältnis aus, weil der Arbeitnehmer infolge seines Rauschs seine Arbeit nicht mehr erbringen kann, dürfen Arbeitgeber – abhängig von der Schwere der jeweiligen Pflichtverletzung – arbeitsrechtliche Maßnahmen von der Abmahnung bis hin zur Kündigung ergreifen.

Haben Arbeitgeber nur einen Verdacht, dass ein Arbeitnehmer berauscht zur Arbeit erscheint, sollten Sie ihre Verdachtsmomente genau dokumentieren. Falls sich der Verdacht erhärtet, sollte dem Arbeitnehmer ein freiwilliger Drogentest angeboten werden. Ist der Arbeitnehmer erkennbar rauschbedingt nicht in der Lage, seine Arbeit zu erbringen, sollte der Arbeitgeber ihn nach Hause schicken – das darf dann sogar unbezahlt erfolgen.


Autorin: Dr. Maike Flink

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