03.04.2024 -
Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung hinsichtlich der Abänderung von Arbeitszeugnissen erweitert.
Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung zu hinsichtlich der Abänderung von Arbeitszeugnissen erweitert (credits: adobestock).

Zwischen den Arbeitsvertragsparteien kommt es immer wieder zu Streit über den Inhalt von Arbeitszeugnissen. Dieser betrifft vor allem die Schlussformeln in einem Arbeitszeugnis. Arbeitnehmer wünschen sich hier die übliche Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel. Arbeitgeber berufen sich in vielen Fällen darauf, dass sie nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte nicht verpflichtet sind, eine solche Formel in ein Arbeitszeugnis, auch wenn es im Übrigen sehr gut ist, aufzunehmen. Es handelt sich dabei um ein subjektives Empfinden, das der Arbeitnehmer nicht gerichtlich durchsetzen kann.

Das Bundesarbeitsgericht hat diese Rechtsprechung nun erweitert. Der Arbeitgeber hatte zunächst ein Arbeitszeugnis ausgestellt und die übliche Schlussformel aufgenommen. Nach einem Zeugnisberichtigungsanspruch hatte er dann die Klausel wieder weggelassen (BAG, Versäumnisurteil v. 6.6.2023, 9 AZR 272/22).

Die Entscheidung ist für die Praxis von Bedeutung, denn die Abänderung eines erteilten Zeugnisses kann wegen der einmal ausgesprochenen Selbstbindung nicht mehr zulässig sein, aber auch gegen das gesetzliche Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstoßen.

Der Fall:

Der beklagte Arbeitgeber beschäftigte die Klägerin vom 15.8.2017 bis zum 28.2.2021 zuletzt als „Manager of Administration and Central Services“.

Nach dem Ausscheiden erteilte der Arbeitgeber der Klägerin ein Arbeitszeugnis mit Datum vom 28.2.2021 („erstes Arbeitszeugnis“). Der letzte Absatz des Zeugnisses lautet:

Frau D verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch. Wir danken ihr für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.“

Die Arbeitnehmerin forderte dann unter dem 8.4.2021 den Arbeitgeber auf, das Arbeitszeugnis zu korrigieren und dabei ihr Arbeits- und Sozialverhalten besser zu bewerten. Das daraufhin geänderte Arbeitszeugnis („zweites Arbeitszeugnis“) enthält den folgenden Satz:

Insgesamt waren ihre Arbeitsergebnisse von guter Qualität …“

Mit Schreiben vom 25.5.2021 beanstandete die Klägerin diese Passage mit der Begründung, die positive Aussage werde durch die Verwendung des Wortes „insgesamt“ eingeschränkt. Darüber hinaus verlangte sie unter Fristsetzung weitere Korrekturen.

Der Arbeitgeber änderte das Arbeitszeugnis ein zweites Mal („drittes Arbeitszeugnis“), das danach wie folgt endet:

Frau D hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt und unseren Erwartungen in jeder Hinsicht optimal entsprochen. …

Frau D verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch.“

Hierzu hat nun die Klägerin die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber sei verpflichtet, ihr ein Arbeitszeugnis auszustellen, das die in den ersten beiden Zeugnisfassungen erteilte Dankes- und Wunschformel enthalte. Mit der Erteilung des ersten und zweiten Arbeitszeugnisses habe sich die Beklagte diesbezüglich gebunden. Mit ihrer Weigerung, das dritte Arbeitszeugnis entsprechend zu korrigieren, verstoße sie zudem gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot.

Der Arbeitgeber hat hingegen Klageabweisung beantragt. Das Maßregelungsverbot binde den Arbeitgeber lediglich im laufenden Arbeitsverhältnis, gelte aber nicht für Sachverhalte nach dessen Beendigung. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis mit einer Dankes- und Wunschformel gehabt, weil darin lediglich subjektive Empfindungen zum Ausdruck kämen. Daher könne sie diese auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht verlangen. Das subjektive Empfinden des Arbeitgebers könne sich auch noch nach Erteilung eines Arbeitszeugnisses ändern.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen durch Versäumnisurteil bestätigt, da der beklagte Arbeitgeber nicht zur Revisionsverhandlung erschienen ist.

I. Kein Anspruch auf Dankes- und Wunschformel

Zunächst hat das Bundesarbeitsgericht die ständige Rechtsprechung bestätigt, wonach ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel hat. Dieser Anspruch leitet sich weder aus § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO noch aus § 221 Abs. 2 BGB und das dort verankerte Rücksichtnahmegebot ab. Die Regelungen verpflichten den Arbeitgeber nicht, über den geschuldeten Zeugnisinhalt (Beurteilung der Leistung und des Verhaltens) hinaus Dank zu bezeugen und Wünsche für dessen berufliche Zukunft zu formulieren. Vielmehr sind die Regelungen in § 109 GewO insoweit abschließend.

II. Verbot der Maßregelung von Arbeitnehmern

Gemäß § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Damit schützt das Maßregelungsverbot die Willensfreiheit des Arbeitnehmers. Dieser soll ohne Angst vor einer Maßregelung durch den Arbeitgeber darüber frei entscheiden dürfen, ob er die zustehenden Rechte in Anspruch nimmt oder davon absieht.

Damit hat ein Arbeitgeber nicht das Recht, die berechtigte Beanstandung eines Arbeitszeugnisses zum Anlass zu nehmen, dieses Arbeitszeugnis zum Nachteil des Arbeitnehmers abzuändern.

Hinweis für die Praxis:

Das Maßregelungsverbot ist nicht auf das laufende Arbeitsverhältnis beschränkt, sondern besteht auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort. Dies gilt gerade für den Bereich des Zeugnisrechts. So kann die Bestimmung des § 612a BGB nachvertragliche Wirkung entfalten.

III. Zulässige Zeugnisänderung

Die Arbeitnehmerin hatte im vorliegenden Fall in zulässiger Weise von ihrem Recht auf Zeugniserteilung Gebrauch gemacht. So hatte der Arbeitgeber die Leistungen der Klägerin mit dem Satz „insgesamt waren ihre Arbeitsergebnisse von guter Qualität“ bewertet. Diese Beschreibung blieb hinter der von dem Arbeitgeber erteilten Schlussbewertung („stets zur vollsten Zufriedenheit“) zurück. Aus der Verwendung des Adverbs „insgesamt“ muss der verständige Leser des Zeugnisses schließen, dass die Klägerin ihre Aufgaben nicht durchgehend „zur vollsten Zufriedenheit“ des Arbeitgebers versah.

Mit der Änderung der Schlussformel in dem dritten Arbeitszeugnis hat der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin auch einen Nachteil im Sinne des § 612a BGB zugefügt. Die Situation hatte sich für die Arbeitnehmerin objektiv verschlechtert. Zwar hatte sie ursprünglich keinen Anspruch auf ein Zeugnis mit einer Dankes- und Wunschformel. Schlusssätze mit einer Dankes- und Wunschformel erhöhen aber die Bewerbungschancen. Ein Zeugnis wird durch solche Schlusssätze aufgewertet.

Hinweis für die Praxis:

Die Gerichte haben angenommen, die Änderungswünsche der Arbeitnehmerin und das Weglassen der Schlusssätze im dritten Arbeitszeugnis seien ursächlich miteinander verknüpft gewesen. Damit lag ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB vor.

Fazit:

Im vorliegenden Fall war das Maßregelungsverbot erkennbar einschlägig. Der Arbeitgeber ist darüber hinaus nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ohnehin an den Inhalt eines bereits erteilten Zeugnisses gebunden. Von einem erteilten Zeugnis darf der Arbeitgeber nur noch dann abrücken, wenn ihm nachträgliche Umstände bekannt werden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Solche Umstände können niemals in einer berechtigten Zeugniskorrektur liegen.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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