Unter der Personalgestellung ist die auf Dauer angelegte Beschäftigung bei einem Dritten unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu verstehen. Diese dauerhafte Überlassung von Leiharbeitnehmern an einen Dritten soll nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) grundsätzlich verhindert werden. Allerdings bestehen für den Bereich des öffentlichen Dienstes hier Ausnahmevorschriften, deren Wirksamkeit in der Vergangenheit immer wieder in Zweifel gezogen wurden. Im Jahre 2021 hat das Bundesarbeitsgericht deshalb die Vereinbarkeit von § 4 Abs. 3 TVöD mit der Leiharbeitsrichtlinie dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung vorgelegt (BAG v. 16.6.2021, 6 AZR 390/20 (A). Der EuGH hat nun geantwortet und die Rechtsfrage abschließend, jedenfalls für den öffentlichen Dienst, geklärt (EuGH v. 22.6.2023, -C-427/21). Zwar sind damit für die Privatwirtschaft noch nicht alle offenen Fragen entschieden. Für den öffentlichen Dienst gibt die Entscheidung jedoch erfreuliche Rechtssicherheit und soll daher hier besprochen werden.
Der Fall:
Der beklagte Arbeitgeber betreibt eine Klinik. Der klagende Arbeitnehmer ist dort seit April 2000 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung. Die Klinik hat keine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis.
Im Juni 2018 hat sich das Klinikum dazu entschieden, die Bereiche der Poststelle, des Archivs und der Bibliothek und die damit verbundenen Aufgaben auf eine 100%ige Tochtergesellschaft zu verlagern. Es handelte sich um einen Betriebsübergang. Diese Aufgabenverlagerung hätte für den klagenden Arbeitnehmer zur Folge gehabt, dass sein Arbeitsverhältnis gem. § 613a BGB auf die Tochtergesellschaft übergegangen wäre. Der Kläger hat jedoch dem Betriebsübergang widersprochen.
Die Klinik hat daraufhin den Kläger dauerhaft nach § 4 Abs. 3 TVöD der Tochtergesellschaft im Wege der Personalgestellung überlassen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er nicht verpflichtet sei, seine Arbeitsleistung dauerhaft bei der Tochtergesellschaft zu erbringen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.
Die Entscheidung:
Im Revisionsverfahren hatte das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung dem EuGH zur Klärung vorgelegt. Der EuGH hat nun die Personalgestellung für wirksam erklärt.
I. Personalgestellung im öffentlichen Dienst
Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst sieht in § 4 Abs. 3 TVöD Folgendes vor:
„(3) Werden Aufgaben der Beschäftigten zu einem Dritten verlagert, ist auf Verlangen des Arbeitgebers bei weiterbestehendem Arbeitsverhältnis die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung bei dem Dritten zu erbringen (Personalgestellung). § 613a BGB sowie gesetzliche Kündigungsrechte bleiben unberührt.“
In der Protokollerklärung zu dieser Vorschrift heißt es dann wie folgt:
„Personalgestellung ist – unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses – die auf Dauer angelegte Beschäftigung bei einem Dritten. Die Modalitäten der Personalgestellung werden zwischen dem Arbeitgeber und dem Dritten vertraglich geregelt.“
Das Privileg der Personalgestellung findet dann ergänzend in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG ihre Bestätigung mit folgendem Wortlaut:
„(3) Dieses Gesetz ist (…) nicht anzuwenden auf die Arbeitnehmerüberlassung
…
2b. zwischen Arbeitgebern, wenn Aufgaben eines Arbeitnehmers von dem bisherigen zu dem anderen Arbeitgeber verlagert werden und aufgrund eines Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes
a) das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber weiter besteht und
b) die Arbeitsleistung zukünftig bei dem anderen Arbeitgeber erbracht wird,
(…)“
Hinweis für die Praxis:
Nach der gesetzlichen und auch der tarifvertraglichen Regelung soll daher die Personalgestellung im öffentlichen Dienst zulässig sein. Genau dies war aber im vorliegenden Fall die Ausgangsfrage. Ist eine solche dauerhafte Personalgestellung nicht tatsächlich Leiharbeit und damit wegen Verstoßes gegen die Leiharbeitsrichtlinie und die Regelungen des AÜG unwirksam?
II. Entscheidung des EuGH
Der EuGH hat dazu nunmehr entschieden, dass die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD von der Leiharbeitsrichtlinie gar nicht erfasst wird. Nach der Richtlinie müsse ein Arbeitgeber bei Abschluss des Arbeitsvertrages als auch konkreten Überlassungen gerade die Absicht haben, den betreffenden Arbeitnehmer einem entleihenden Unternehmen vorübergehend zur Verfügung zu stellen. Diese Voraussetzungen sind aber nach dem EuGH in einer Konstellation wie derjenigen des § 4 Abs. 3 TVöD nicht erfüllt. Bei der Personalgestellung fehlt dem Arbeitgeber die Absicht sowohl bei Abschluss des Arbeitsvertrages als auch bei der Überlassung des Arbeitnehmers an das Drittunternehmen, in diesem Sinne zu handeln.
Der vorliegende Fall bestätigt dies nach Ansicht des EuGH. Der Arbeitgeber hat bei Abschluss des betreffenden Arbeitsvertrages gerade nicht die Absicht gehabt, den Arbeitnehmer einem entleihenden Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Die konkrete Überlassung im Wege der Personalgestellung sei nur deshalb erfolgt, weil der Arbeitnehmer von seinem Widerspruchsrecht nach § 613a BGB Gebrauch gemacht hat. Der widersprechende Arbeitnehmer werde bei seinem ursprünglichen Arbeitgeber zu den dort geltenden Bedingungen weiterbeschäftigt.
Hinweis für die Praxis:
Die Entscheidung ergeht ausdrücklich nur für den öffentlichen Dienst und nicht die Privatwirtschaft. In der Privatwirtschaft fehlt es auch an vergleichbaren Regelungen im AÜG und insbesondere an einer Vorschrift wie § 4 Abs. 3 TVöD. Jedenfalls ist die Bereichsausnahme in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG mit Unionsrecht vereinbar.
Fazit:
In ersten Stellungnahmen wird die Entscheidung auch als übertragungsfähig auf die Privatwirtschaft angesehen (vgl. Arnold, FD-ArbR 2023, 458283; siehe auch Hamann, jurisPR-ArbR 30/2023 Anm. 2). Wir halten dies so nicht für zutreffend, denn die Entscheidung befasst sich ausdrücklich nur mit der speziellen Konstellation des § 4 Abs. 3 TVöD. In der Privatwirtschaft ist daher eine dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung vergleichbar mit § 4 Abs. 3 TVöD weiterhin bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bzw. des EuGH nicht zu empfehlen. Wir werden über die weitere Entwicklung der Rechtsprechung berichten.
Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen
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