Variable Vergütungen werden häufig mit Zielvereinbarungen verbunden. Die Ziele werden jährlich neu vereinbart. Ziele können dabei individuelle Ziele sein oder aber auch Unternehmensziele. Häufig werden beide Ziele kombiniert. Streit kann entstehen, wenn ein Mitarbeiter unterjährig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Darf der Arbeitgeber dann die Tantieme anteilig kürzen? Diese Frage hatte jetzt das Landesarbeitsgericht Köln zu entscheiden (LAG Köln v. 7.7.2022, 6 Sa 112/22). Die Entscheidung macht nochmals deutlich, dass es von großer Bedeutung ist, Sinn und Zweck einer variablen Vergütung genau zu definieren.
Der Fall:
Der klagende Arbeitnehmer war bei dem beklagten Arbeitgeber in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Juli 2021 beschäftigt. In dem von beiden Seiten unterzeichneten Arbeitsvertrag findet sich eine Regelung zur Zahlung einer variablen Vergütung. Dort heißt es wie folgt: „Die Gesellschaft zahlt … pro Geschäftsjahr eine variable Tantieme, deren Höhe die Gesellschaft bestimmt. … Nach Ausspruch einer durch Herrn H. oder durch die Gesellschaft veranlassten Kündigung bestehen Ansprüche auf eine variable Tantieme nur für die Zeit vor Zugang der Kündigungserklärung.“ Die Parteien schlossen im März 2021 die hier relevante Zielvereinbarung für den Kläger. Es ging grob zusammengefasst um zwei individuelle Ziele. Diesen lag als Zielerreichungszeitraum die Zeit vom 1. Januar 2021 bis spätestens 31. Juli 2021 zugrunde. Der Zeitraum endete damit genau zu dem Datum, zu dem der Kläger später aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden war.
Zwischen den Parteien ist dabei streitig, ob schon zum Zeitpunkt des Abschlusses der Zielvereinbarung klar gewesen ist, dass der Kläger zum 31. Juli 2021 wegen seines Renteneintritts ausscheiden wird.
Der Arbeitgeber teilte dann dem Arbeitnehmer mit Schreiben vom 2. Juli 2021 mit, er erhalte für das Jahr 2021 die Leistungskomponente anteilig nur für sieben Monate. Auf dieser Grundlage erhielt der Kläger für das Jahr 2021 eine Gesamttantieme in Höhe von 10.737,30 € brutto (= 5.979,25 € netto).
Der Kläger verfolgt die volle Jahrestantieme und hat Klage in Höhe von 18.406,80 € brutto abzüglich bereits erhaltener 5.979,25 € netto nebst Zinsen eingereicht.
Er vertritt dabei insbesondere die Auffassung, dass ihm die Leistungskomponente in voller Höhe zustehe. Diese sei für die Erreichung bestimmter Ziele vereinbart worden und er habe die Ziele in vollem Umfange erreicht.
Der Arbeitgeber hingegen vertritt die Auffassung, die Tantieme werde für erbrachte Arbeitsleistung gezahlt. Für die nicht erbrachte Leistung, nämlich für die Zeit vom 1. August 2021 bis zum 31. Dezember 2021 wäre sie zutreffend um 5/12 gekürzt worden.
Die Entscheidung:
Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage abgewiesen.
I. Zahlungszweck feststellen!
Das Gericht hat zunächst klargestellt, dass es sich bei der variablen Vergütung um eine reine Entgeltleistung handele. Voraussetzung für einen Anspruch auf Entgelt aus dem Arbeitsverhältnis ist ein bestehendes Arbeitsverhältnis und die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung. Wird die Arbeitsleistung nicht erbracht, entfällt auch jeder Gegenanspruch. Dies unterscheidet einen reinen Entgeltanspruch von anderen Formen, bei denen zusätzlich auch die Betriebstreue belohnt werden soll, z.B. bei Gratifikationen. Es gibt auch Zahlungen, die beide Formen miteinander verbinden, also die Betriebstreue und den Entgeltcharakter, hier spricht man von Zahlungen mit Mischcharakter.
II. Quotelung bei reinem Entgeltanspruch zulässig!
Im vorliegenden Fall war es zwischen den Parteien unstreitig, dass die variable Vergütung eine reine Entgeltleistung darstellen sollte. Für die Zeit, in der die geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht worden ist, durfte daher der Gegenanspruch, hier die Zahlung der variablen Vergütung, entfallen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass ein arbeitsvertraglich versprochener Jahresentgeltbestandteil um 5/12 zu kürzen ist, wenn fünf Monate im Bezugsjahr keine Arbeitsleistung erbracht wird oder im gleichen Zeitraum ein Arbeitsverhältnis nicht mehr bestand.
Dies gilt unabhängig davon, dass im vorliegenden Fall vereinbarungsgemäß eine weitere Voraussetzung in vollem Umfange erfüllt war, nämlich die Zielerreichung, die der Kläger unstreitig bereits am 31. Juli 2021 in vollem Umfang erbracht hatte. Vielmehr ist der verbleibende, hier von der Beklagten ausgezahlte und deshalb nicht im Streit befindliche Anteil von 7/12 seinerseits nicht einfach auszuzahlen, sondern davon abhängig, dass die Ziele wie vereinbart am 31. Juli, also bereits nach Ablauf von 7/12 des Bezugszeitraums, erreicht worden sind. Das hatte hier der Kläger erreicht. Nur deshalb stand ihm überhaupt ein Zahlungsanspruch in Höhe von 7/12 zu.
Fazit:
Scheiden Mitarbeiter unterjährig aus, stellt sich immer wieder die Frage, ob ein Anspruch vollständig entfällt, gequotelt werden darf oder aber sogar in vollem Umfang trotz vorzeitigem Ausscheiden ausgezahlt werden muss. Die Rechtsprechung beurteilt dies nach den hier dargestellten Grundsätzen. Relevant ist damit die Frage, ob es sich um reine Entgeltansprüche oder aber um sonstige Zahlungen mit Mischcharakter handelt. Bei Entgeltansprüchen muss die Gegenleistung immer in Form von Arbeitsleistung erbracht worden sein. Bei sonstigen Zahlungen mit Mischcharakter soll auch oder nur die Betriebstreue belohnt werden. Liegen die Voraussetzungen einer Zahlung mit Mischcharakter vor, kann eine Quotelung unzulässig sein. Der Praxis ist daher zu empfehlen, sich im Vorhinein Gedanken zur Frage des vorzeitigen Ausscheidens zu machen. Zudem ist anzuraten, diese Frage idealerweise genau und konkret vertraglich zu regeln.
Autor: Nicolai Besgen
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