Sofortabzug von Mieterabfindungen als Werbungskosten
„Eine Abfindung an den Mieter für die vorzeitige Beendigung des Mietvertrags und die Räumung der Wohnung, um das Gebäude anschließend umfangreich zu renovieren, gehört nicht zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten“.
Was völlig selbstredend scheint, sahen das Finanzamt und das FG Münster hingegen anders. So musste erst der BFH mit seinem Urteil vom 20.09.2022, IX R 29/21, für Klarheit sorgen.
Der Fall:
Im Jahr 01 erwarb die V eine vier Wohneinheiten umfassende vermietete Immobilie und renovierte sie in den nächsten 2 Jahren. Um die Mieter zur Beendigung der Mietverträge und Räumung ihrer Wohnungen zu bewegen, zahlte V im Jahr im Jahr 02 Abfindungen in Höhe von insgesamt 35.000 €. Ohne die Räumung wäre die Renovierung zwar technisch möglich, aber umständlicher gewesen.
V machte die Mieterabfindungen als sofort abziehbare Werbungskosten geltend. das Finanzamt hielt die Abfindungen für anschaffungsnahe Herstellungskosten § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG und wollte den steuerlichen Abzug nur im Rahmen der gewöhnlichen Abschreibung (Absetzung für Abnutzung = AfA) akzeptieren (seinerzeit 2 %, also auf 50 Jahre abzuschreiben. Die Beharrlichkeit des V hatte letztinstanzlich Erfolg.
Worum geht es bei den Mieterabfindungen als Werbungskosten?
Zu den abziehbaren Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung gehört neben sofort abzugsfähigem Erhaltungsaufwand auch die Gebäude-AfA. Bemessungsgrundlage für die AfA sind deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten.
Welche Aufwendungen zu den (tatsächlichen) Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich nach § 255 HGB.
Es gibt daneben aber auch fiktive Herstellungskosten eines Gebäudes. Dies sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG
- Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten).
Diese Aufwendungen erhöhen die AfA-Bemessungsgrundlage. Sie sind nicht als Werbungskosten sofort abziehbar.
Die durch den BFH zu klärende Frage: Sind Mieterabfindungen fiktive Herstellungskosten des Gebäudes?
Aus den Entscheidungsgründen:
Anschaffungsnahe Herstellungskosten
Grundsatz: Unter den Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG fallen bauliche Maßnahmen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird.
Im Regelfall kann von einer Renovierung und Modernisierung im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes ausgegangen werden, soweit bauliche Maßnahmen innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung durchgeführt werden (Regelvermutung).
Dazu rechnen auch Aufwendungen für
- den Abriss eines vorhandenen Gebäudes auf einem zum Zwecke der Neubebauung erworbenen Grundstück zu den Herstellungskosten des Neubaus, wenn der Abriss des alten Gebäudes Voraussetzung für die Errichtung des neuen ist.
- die Ablösung eines dinglichen Nutzungsrechts (bspw. Nießbrauch, Wohnungsrecht), wenn sie im Zusammenhang mit dem Abbruch eines Altgebäudes und der Errichtung des neuen Gebäudes geleistet werden.
Aber: Rein fiktive Herstellungskosten sind in engerem Sinn zu verstehen. Der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist auf bauliche Maßnahmen an Einrichtungen des Gebäudes oder am Gebäude selbst beschränkt (bspw. Instandsetzung oder Erneuerung vorhandener Sanitär-, Elektro- und Heizungsanlagen, der Fußbodenbeläge, der Fenster und der Dacheindeckung).
- Mieterabfindungen sind keine Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen. Sie gehören nicht zu den baulichen Maßnahmen.
- Maßnahmen zur Aufhebung bestehender Mietverhältnisse sind nicht Teil der Instandsetzung bzw. Modernisierung der Gebäudesubstanz.
- Mieterabfindungen spiegeln sich nicht typischerweise in einer dauerhaften Erhöhung des Gebäudewerts wider.
- Die gegenteilige Auffassung des Finanzamts und des Finanzgerichts überschreitet die Wortlautgrenze.
Fazit:
Die Figur der anschaffungsnahmen Herstellungskosten des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist nicht nur enorm streitträchtig und wohnungs- wie wirtschaftspolitisch mehr als kritikwürdig; sie gehört nach Auffassung des Verfassers ersatzlos abgeschafft.
Siehe hierzu bspw:
Finanzämter neigen bisweilen augenscheinlich dazu, jedweder Aufwendung des Eigentümers kurz nach der Anschaffung der Immobilie den Sofortabzug als Werbungskosten zu versagen. Anlass dazu hatten mehrere viel zu weit gehende Entscheidungen des BFH geliefert, die jetzt nach und nach wieder eingefangen werden müssen.
Eigentümer sollten deshalb bereits vor Erwerb und Renovierung gründlich prüfen, ob und welche geplanten Aufwendungen den Sofortabzug zunichtemachen. Im Zweifel lohnt ein Streit vor dem Finanzgericht, wie das hier vorgestellte Urteil des BFH belegt.
Autor: Andreas Jahn
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022/2023)
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2021)
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