03.01.2023 -

Findet das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung, muss der Arbeitgeber nach Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit die Kündigung begründen. In Betracht kommen betriebs-, personen- oder verhaltensbedingte Gründe. In der Praxis kommt es dabei immer wieder zu Streitigkeiten im Hinblick auf Schlechtleistungen von Arbeitnehmern. Handelt es sich dabei um ein bewusstes Zurückhalten der vollen Leistungsfähigkeit, dann verhaltensbedingt, oder ist der Arbeitnehmer schlicht nicht in der Lage, mehr zu leisten, dann personenbedingt. Die Anforderungen an eine verhaltensbedingte Kündigung sind sehr hoch und die Erfahrung zeigt, dass viele Kündigungen ungenügend vorbereitet oder aus anderen Gründen unwirksam sind. Das Landesarbeitsgericht Köln hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass auch Kündigungen bei quantitativer Minderleistung aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt sein können (LAG Köln v. 3.5.2022, 4 Sa 548/21). Wir möchten die wichtige Entscheidung für die Praxis hier vorstellen.

In der Praxis kommt es dabei immer wieder zu Streitigkeiten im Hinblick auf Schlechtleistungen von Arbeitnehmern (credit:adobestock)

Der Fall:

Der gekündigte Arbeitnehmer ist 50 Jahre alt und seit dem 15. Februar 2011 bei dem beklagten Großhändler als Kommissionierer mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von 2.364,90 € beschäftigt.

Seit dem Jahre 2018 ist er im Lager für das Trockensortiment zuständig. Es findet eine Betriebsvereinbarung „Prämienentlohnung Kommissionierung“ Anwendung. Die Basisleistung mit 100 % entspricht nach dieser Betriebsvereinbarung der Normalleistung. Eine Prämie wird erst über diesem Durchschnitt geleistet.

Der Arbeitnehmer erreichte in keinem Monat die Basisleistung und erst recht nicht die Voraussetzungen für eine Prämienentlohnung.

Im Jahre 2019 kam es daher zu zwei Personalgesprächen mit dem Kläger über seine Leistungswerte. Im Anschluss erhielt er im Januar 2020 und im März 2020 jeweils eine Abmahnung. Diese Abmahnungen waren auf die bewusste Zurückhaltung der ihm zur Verfügung stehenden Arbeitskraft und Arbeit gerichtet. Dem Kläger wurde vorgeworfen, seine Kräfte und Fertigkeiten nicht auszuschöpfen. Insbesondere entsprach der Durchschnitt seiner Leistungen lediglich 72,86 %.

Im Mai 2020 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich aus verhaltensbedingten Gründen.

Das Arbeitsgericht hat erstinstanzlich die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Der Kläger habe über einen längeren Zeitraum die Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer erheblich unterschritten. Ihm sei es nicht gelungen, die Aussagekraft des Zahlenwerkes in Abrede zu stellen.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Kündigung bei Schlechtleistungen

Eine verhaltensbedingte Kündigung kann auch auf Schlechtleistung gestützt werden. Nach der Rechtsprechung muss der Arbeitnehmer sein persönliches und subjektives Leistungsvermögen ausschöpfen. Die Rechtsprechung bringt dies auf die prägnante Formel: „Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann.“

Damit ist es einem Arbeitnehmer nicht gestattet, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung einseitig nach seinem Belieben zu bestimmen. Zwar ist kein ausschließlich objektiver Maßstab anzusetzen. Eine willkürliche Selbstbestimmung der Arbeitspflicht besteht aber ebenfalls nicht.

Hinweis für die Praxis:

 Zu beachten ist allerdings, dass in jeder Vergleichsgruppe stets ein Angehöriger der Gruppe das „Schlusslicht“ darstellt. Das kann verschiedene Ursachen haben. Zum Beispiel, dass die übrigen Gruppenangehörigen besonders leistungsstark sind, sich überfordern oder dass umgekehrt der gruppenschwächste Arbeitnehmer besonders leistungsschwach ist.

II. Quantitative Minderleistungen

Bei messbaren, also quantitativen Minderleistungen orientiert sich die Rechtsprechung an folgender Formel. Liegt die Durchschnittsleistung eines Mitarbeiters langfristig um deutlich mehr als 1/3 unter der Leistung vergleichbarer Mitarbeiter, stellt dies eine grundlegende Störung des Leistungsgleichgewichts dar. Das kann dann kündigungsrelevant sein.

Im vorliegenden Fall konnte der Arbeitgeber dieses Unterschreiten darlegen. So hat der Arbeitgeber dem Gericht beispielhaft für den Zeitraum von März 2019 bis April 2020 folgende Leistungen im Vergleich zur Vergleichsgruppe aufgelistet:

Monat

Leistung des Klägers

Leistung der übrigen Kommissionierer im Durchschnitt

März 2019

78,18 %

117,6 %

April 2019

85,14 %

118 %

Mai 2019

74,27 %

115,8 %

Oktober 2019

65,44%

111,91 %

Dezember 2019

72,86 %

116,1 %

Februar 2020

72,47 %

117,95 %

März 2020

61,71 %

115,77 %

April 2020

60,42 %

114,5 %

Hinweis für die Praxis:

Der Praxis kann nur empfohlen werden, im Falle einer solchen Gruppenbildung einen möglichst langen Zeitraum prägnant darzustellen, um das Unterschreiten der Durchschnittsleistung plausibel zu machen. Je klarer und länger der Zeitraum dargestellt werden kann, umso konkreter kann die grundlegende Störung des Leistungsgleichgewichts belegt werden.

III. Verteidigungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer

Hat ein Arbeitgeber im vorgenannten Sinne ausreichend bewiesen und vorgetragen, dass die Leistungen eines Arbeitnehmers über einen längeren Zeitraum den Durchschnitt unterschritten haben, muss dann der Arbeitnehmer hierauf konkret erwidern. Er muss das Zahlenwerk und seine Aussagekraft im Einzelnen bestreiten und darlegen, warum er mit seiner deutlich unterschiedlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausgeschöpft hat. Das können altersbedingte Leistungsdefizite, Beeinträchtigungen durch Krankheit, aber auch betriebliche Umstände sein. Legt der Arbeitnehmer derartige Umstände plausibel dar, so ist es dann wiederum Sache des Arbeitgebers, sie zu widerlegen.

Hinweis für die Praxis:

Man spricht hier von der abgestuften Darlegungs- und Beweislast. Im ersten Schritt muss also der Arbeitgeber das Unterschreiten um ca. 1/3 belegen, dann wiederum muss sich der Arbeitnehmer verteidigen und wenn ihm dies gelingt, muss der Arbeitgeber wieder antworten. Kann auf einer dieser Stufen die jeweilige Partei die Anforderungen an ihre Darlegungs- und Beweislast nicht erfüllen, gilt der Vortrag der anderen Partei als zugestanden (vgl. § 138 Abs. 3 ZPO). So war es im vorliegenden Fall. Denn der Mitarbeiter konnte sich nicht angemessen verteidigen, was dann dazu führte, dass der Vortrag des Arbeitgebers als zutreffend angesehen wurde.

Fazit:

Verhaltensbedingte Kündigungen wegen Schlechtleistung (Low Performer) sind schwierig durchzusetzen. In vielen Fällen wird Arbeitgebern von der Kündigung abgeraten, da die Voraussetzungen nicht vorliegen. Dennoch macht die vorliegende Entscheidung deutlich, dass eine Kündigung wegen Minderleistung nicht unmöglich ist. Solche Kündigungen müssen aber sorgfältig vorbereitet werden. Dazu gehört auch, dass dem Arbeitnehmer zunächst durch den Ausspruch von Abmahnungen die Kündigungsrelevanz seines Verhaltens verdeutlicht wird. All dies wurde im vorliegenden Fall beachtet. Der Arbeitgeber hat in einem ersten Schritt zwei Personalgespräche geführt, dann zwei Abmahnungen ausgesprochen und erst im Anschluss mit konkret belegtem Zahlenwerk die verhaltensbedingte Kündigung zugestellt. Bei Beachtung dieser Grundsätze und Erfüllung der strengen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast sind Kündigungen auch im Bereich der Schlechtleistung möglich und wirksam.

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