Der unter anderem für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem Urteil vom 9. April 2002 – Az.: XI ZR 91/99 – entschieden, dass das Widerrufsrecht des § 1 Abs.1 Haustürwiderrufsgesetz (HwiG) (jetzt § 312 Abs.1 BGB) auch Verbrauchern zusteht, die einen Realkreditvertrag im Sinne des Verbraucherkreditgesetzes geschlossen haben, der zugleich die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts erfüllt. Der BGH folgte damit einem auf sein Vorabentscheidungsersuchen hin ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Az.:C-481/99); in diesem war festgestellt worden, dass die Haustürgeschäfterichtlinie neben der Verbraucherkreditrichtlinie anwendbar ist, auch Realkreditverträge erfasst und das vorgeschriebene Widerrufsrecht – anders als im deutschen Verbraucherkreditgesetz und bislang im neuen Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vorgesehen – nicht befristet ist, falls keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt wurde.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Kläger haben im Jahre 1993 zur Finanzierung des Kaufpreises einer Eigentumswohnung einen Grundpfandkreditvertrag mit der beklagten Bank abgeschlossen. Ein auch für die Beklagte tätiger Immobilienmakler hatte die Kläger nach deren Behauptung mehrfach zu Hause aufgesucht und zum Wohnungskauf sowie zur Darlehensaufnahme überredet. Ihre Darlehensvertragserklärung hatten die Kläger deshalb nach § 1 Abs. 1 HWiG widerrufen und die Rückabwicklung des Vertrages von der Bank verlangt. Ihre Klage blieb in den Vorinstanzen mit der Begründung ohne Erfolg, die Vorschriften des HWiG seien gemäß § 5 Abs. 2 HWiG (jetzt § 312a BGB) durch das Verbraucherkreditgesetz verdrängt, wonach ein Widerruf eines Immobiliendarlehens ausgeschlossen sei.
Die Entscheidung:
Bereits mit Beschluss vom 29. November 1999 richtete der BGH ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof. Grund hierfür war § 5 Abs. 2 HwiG, der besagt, dass § 1 Abs. 1 HWiG nicht anzuwenden ist, wenn zugleich die Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem Verbraucherkreditgesetz erfüllt sind. Der BGH zweifelte daran, ob der Wortlaut des § 5 Abs. 2 HWiG ohne weiteres angenommen werden kann oder die Haustürgeschäfterichtlinie als europäisches Gemeinschaftsrecht, deren Umsetzung in nationales Recht das Haustürwiderrufsgesetz darstellt, eine andere Auslegung der Norm gebietet. Dazu war eine Auslegung der Haustürgeschäfterichtlinie geboten, welche allein dem Europäischen Gerichtshof vorbehalten ist. Der Europäische Gerichtshof hat die vom BGH im Vorabentscheidungsverfahren gem. § 234 EG gestellten Fragen mit Urteil vom 13. Dezember 2001 (C-481/99) dahingehend beantwortet, dass die Haustürgeschäfterichtlinie neben der Verbraucherkreditrichtlinie anwendbar ist, auch Realkreditverträge erfasst und das vorgeschriebene Widerrufsrecht – anders als bislang im deutschen Verbraucherkreditgesetz (§ 7 Abs.2) und im neuen Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (§ 355 Abs.3 BGB) vorgesehen – nicht befristet ist, falls keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt wurde.
Der BGH hob nun aufgrund des Ergebnisses des Vorabentscheidungsverfahren das Berufungsurteil auf. Er begründete seine Entscheidung damit, dass es die für die nationalen Gerichte bindende Auslegung der Haustürgeschäfterichtlinie durch den Europäischen Gerichtshof in Verbindung mit dem Gebot richtlinienkonformer Auslegung gebiete, das Haustürwiderrufsgesetz, soweit dieses einen Beurteilungsspielraum eröffne, so auszulegen, dass dem Verbraucher ein der Richtlinie entsprechendes Widerrufsrecht zustehe. § 5 Abs. 2 HWiG sei somit richtlinienkonform einschränkend auszulegen. Die dort enthaltene Subsidiaritätsklausel greife danach allein in Fällen, in denen das Verbraucherkreditgesetz dem Verbraucher ebenfalls ein Widerrufsrecht gewähre. Bestehe – wie hier – nach dem Verbraucherkreditgesetz kein Widerrufsrecht, so bleibe es bei der Widerrufsmöglichkeit aus § 1 Abs. 1 HWiG. Entgegen dem Vorbringen der Kläger waren die Richter der Ansicht, dass das nationale Recht in § 5 Abs. 2 HWiG einen entsprechenden Beurteilungsspielraum eröffne, da der Wortlaut dieser Norm nicht eindeutig und seit jeher auch unterschiedlich interpretiert worden sei. Der richtlinienkonformen Auslegung stünden ebenfalls der Wille des Gesetzgebers und Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes nicht entgegen. Sie erstrecke sich auf alle unter § 1 Abs. 1 HWiG fallenden Sachverhalte. Nach Ansicht der Richter komme es nicht darauf an, ob die Haustürsituation bei Abschluss des Kreditvertrags selbst oder nur bei Vertragsanbahnung vorgelegen habe, da das Haustürwiderrufsgesetz eine Gleichstellung der entsprechenden Willenserklärungen vorsehe.
Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses Feststellungen zu der zwischen den Parteien streitigen Frage treffen kann, ob die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts vorliegen. Für den Fall, dass danach ein Widerrufsrecht zu bejahen sein sollte, hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass ein wirksamer Widerruf des Kreditvertrags nicht ohne weiteres auch die Möglichkeit einer Rückabwicklung des Kaufvertrags zur Folge hat.
Der BGH hat am 9.04.2002 (Az.: XI ZR 32/99) außerdem entschieden, dass die Gerichtsstandsregelung in § 7 Abs. 1 HWiG selbst dann nicht auf Realkreditverträge anwendbar ist, wenn diese -entsprechend der richtlinienkonformen Auslegung des § 5 Abs.1 HWiG – widerrufen werden können.
Verfasser: Daniel Möller
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