Die Frage der Gesellschafterhaftung für Verbindlichkeiten einer sogenannten Vor-GmbH hat der Bundesgerichtshof in zwei Entscheidungen vom 04.03.1996 und vom 27.01.1997 (Aktenzeichen jeweils II ZR 123/94) dahingehend entschieden, dass die Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft nach Maßgabe ihrer Beteiligungsverhältnisse unbeschränkt haften. Diese einheitliche Gründerhaftung für vom Gesellschaftsvermögen nicht gedeckte Verluste besteht bis zur Eintragung der Gesellschaft in Form einer sog. Verlustdeckungshaftung und nach der Eintragung in Form einer sog. Vorbelastungs- bzw. Unterbilanzhaftung. Unabhängig von der Bezeichnung handelt es sich dabei um eine anteilige Binnenhaftung.
Dieses Haftungssystem hatte der BGH ausdrücklich nur für den Fall einer sog. „echten“ Vorgesellschaft angenommen, bei der einerseits die Gründung der GmbH gescheitert ist, d.h. die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nicht mehr verfolgt wird, und andererseits die Gesellschafter die werbende Geschäftstätigkeit einstellen. Offen gelassen hatte der BGH allerdings, ob die von ihm aufgestellten Grundsätze auch für die sog. „unechte“ Vorgesellschaft gelten, bei der die Gesellschafter trotz des Scheiterns der Gründung die werbende Geschäftstätigkeit fortsetzen.
Diese Unklarheit hat der BGH mit seinem Urteil vom 04.11.2002 – II ZR 204/00 – beseitigt und ausgeführt, dass das System der Verlustdeckungs- und Vorbelastungshaftung nicht für die Konstellation gelte, in dem die Gründergesellschafter nach dem Scheitern der Gesellschaftsgründung die Geschäftstätigkeit fortsetzen. In diesem Fall würden die Gesellschafter nach personengesellschaftsrechtlichen Grundsätzen und damit persönlich unbeschränkt und gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft haften.
Sachverhalt der Entscheidung:
In dem entschiedenen Fall hatte die Klägerin als Subunternehmerin für die beklagte Vor-GmbH Bauarbeiten durchgeführt, die zu einem großen Teil nicht bezahlt wurden. Nachdem über das Vermögen der beklagten Vor-GmbH das Konkursverfahren eröffnet worden war, nahm die Klägerin die Gesellschafter der Beklagten unmittelbar in Anspruch. Diese hatten ursprünglich vorgehabt, die Beklagte durch eine Sachgründung zu errichten. Über die Bewertung der zu erbringenden Sacheinlagen konnten sie sich im Folgenden allerdings nicht einigen. Obwohl kein Eintragungsantrag mehr gestellt wurde, setzten die Gesellschafter den werbenden Geschäftsbetrieb der Gesellschaft auch nach dem Scheitern der Gründung fort.
Die Entscheidung des BGH:
Der BGH hat in seiner Entscheidung das der Klage stattgebende erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt und einer Inanspruchnahme der Gründergesellschafter zugestimmt. Mit dem Urteil ist eine noch offene Frage im Haftungssystem der Vor-GmbH beantwortet worden.
Nach Ansicht des BGH können sich die Gesellschafter einer Vor-GmbH, die den Geschäftsbetrieb nach Scheitern der Gründung fortführen, nicht auf das vom GmbH-Recht geprägte System der Verlustdeckungs- und Unterbilanzhaftung berufen, nach dem sie grundsätzlich unbeschränkt, dafür aber anteilig entsprechend ihrer Beteiligung und nur im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft haften. Würde ihnen ein Rückgriff auf dieses Haftungssystem erlaubt sein, so entstünde ein neuer Gesellschaftstypus, da die Gründung einer GmbH zwar nicht mehr gewollt sei, die Haftung der Gesellschafter sich allerdings auf eine anteilige Binnenhaftung beschränke. Der Fall einer Fortführung der Geschäftstätigkeit trotz Scheiterns der Gründung sei vielmehr mit der Konstellation vergleichbar, in der die Beteiligten von Anfang an nicht die Absicht hatten, eine GmbH eintragen zu lassen; für diesen Fall wende die Rechtsprechung seit langem personengesellschaftsrechtliche Grundsätze an.
Nach Aufgabe der Eintragungsabsicht sei eine Haftungsprivilegierung nicht mehr gerechtfertigt, die darin ihren Grund finde, dass die Gläubiger einer Vor-GmbH erwarten würden, nach der Eintragung der GmbH nur deren Vermögen als Haftungsmasse vorzufinden. Werde die Eintragung von den Gesellschaftern gar nicht mehr weiter verfolgt, so entfalle dieses Privileg mit der Folge einer persönlichen und gesamtschuldnerischen Gesellschafterhaftung.
Das Urteil des BGH vom 04.11.2002 schließt eine Lücke in dem von der Rechtsprechung entwickelten System der Haftung bei der Vor-GmbH und schafft Rechtssicherheit. Gesellschafter einer Vor-GmbH werden danach zur Vermeidung einer persönlichen Außenhaftung sorgfältig darauf zu achten haben, dass die Gesellschaft nach Aufgabe der Eintragungsabsicht keine werbende Geschäftstätigkeit mehr entfaltet. Die sich aus dem Urteil ergebende praktische Schwierigkeit besteht darin, den für die Feststellung einer persönlichen und gesamtschuldnerischen Haftung maßgeblichen Zeitpunkt des Scheiterns der Gründung exakt festzustellen. Stellen die Gesellschafter die werbende Geschäftstätigkeit mit diesem Zeitpunkt ein, bleibt es bei einer anteiligen Binnenhaftung, führen sie sie fort, gilt eine gesamtschuldnerische, unbeschränkte Außenhaftung.
Verfasser: Rechtsanwalt Stephan Dornbusch
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