In der bisherigen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte konnte eine Vertragsstrafe für den Fall des Vertragsbruchs oder einer fristlosen Entlassung wegen schuldhaften vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers wirksam vereinbart werden. Die Vorschriften des (alten AGB-Gesetztes) standen dem nicht entgegen.
Nach In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechtes wird hingegen die Frage der Zulässigkeit von formularmäßigen Vertragsstrafenvereinbarungen im Arbeitsvertrag außerordentlich streitig diskutiert. Eine verbindliche Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts steht noch aus. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat nun die Zulässigkeit grundsätzlich abgelehnt. Die für die Praxis wichtige Entscheidung wollen wir deshalb nachfolgend kurz vorstellen.
Der Fall (verkürzt):
Die Arbeitsvertragsparteien schlossen am 23. Januar 2002 einen Arbeitsvertrag, in dem die Einstellung der Arbeitnehmerin als Verkäuferin bei dem beklagten Einzelhandelsunternehmen ab dem 1. März 2002 vereinbart wurde. Nach § 2 des Arbeitsvertrages war eine 6-monatige Probezeit mit einer beiderseitigen Kündigungsfrist von 2 Wochen vereinbart. § 11 des Arbeitsvertrages lautete wie folgt:
„Tritt der/die Arbeitnehmer/in das Arbeitsverhältnis nicht an, löst er/sie das Arbeitsverhältnis unter Vertragsbruch oder wird der Arbeitgeber durch schuldhaft vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst, so hat der/die Arbeitnehmer/in an den Arbeitgeber eine Vertragsstrafe in Höhe von einem Bruttomonatsgehalt/-Lohn zu zahlen. Der Arbeitgeber kann einen weitergehenden Schaden geltend machen.“
Der Arbeitsvertrag wurde von den Parteien am 23. Januar 2002 unterzeichnet. Beim Arbeitsvertrag handelte es sich um einen so genannten OT-Vertrag (Ohne Tarifbindung), gedruckt für die OT-Mitglieder der Einzelhandelsorganisationen. Eine Ausfertigung des Arbeitsvertrages wurde dem Arbeitgeber später zugesandt. Mit Schreiben vom 27. Januar 2002 teilte die Arbeitnehmerin folgendes mit:
„Sehr geehrter Herr S.,
aus persönlichen Gründen werde ich nicht am 1. März 2002 in Ihrem Unternehmen beginnen und kündige hiermit den am 23. Januar 2002 mit Ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag.“
Der Arbeitgeber machte daraufhin die Zahlung der in § 11 vereinbarten Vertragsstrafe in Höhe von 1.840,65 € (ein Bruttomonatsgehalt) geltend.
Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage des Arbeitgebers abgewiesen.
Die Entscheidung:
Das Landesarbeitsgericht hat auch die Berufung des Arbeitgebers zurückgewiesen.
I. Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen im Arbeitsrecht
Bekanntlich ist zum 1. Januar 2002 die Schuldrechtsreform mit weitreichenden Folgen für viele Rechtsgebiete in Kraft getreten. Wir haben hierüber bereits mehrmals berichtet. Für das Arbeitsrecht ist insbesondere die nunmehr grundsätzlich anzuwendende Kontrolle so genannter allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) problematisch, die nach dem außer Kraft getretenen § 23 Abs. 1 AGB-Gesetz bislang „bei Verträgen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts“ nicht erfolgte.
Nunmehr sind die in den §§ 305 – 310 BGB übernommenen Regeln zu den allgemeinen Geschäftsbedingungen auch im Arbeitsrecht anwendbar und in der Praxis zu beachten.
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender = Arbeitgeber) der anderen Vertragspartei (Arbeitnehmer) bei Abschluss eines Arbeitsvertrages stellt. Auch ein Arbeitsvertrag, der üblicherweise von einem Arbeitgeber als vorformuliertes Vertragsmuster verwandt wird, erfüllt diese Voraussetzungen und damit den Begriff der allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Die neuen §§ 305 – 310 BGB sind auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wurde nach dem 1. Januar 2002 begründet. Bei dem Arbeitsvertrag handelte es sich um einen Musterarbeitsvertrag, der von der Arbeitgeberseite vorgegeben worden ist. Dies ergab sich schon daraus, dass es sich dabei um ein Vertragsmuster für die OT-Mitglieder der Einzelhandelsorganisationen handelte.
II. Wirksamkeit einer Vertragsstrafenvereinbarung nach neuem Recht
In vielen Arbeitsverträgen finden sich Regelungen, die eine Vertragsstrafe bspw. für den Fall vorsehen, dass sich der andere Vertragsteil vom Vertrag unzulässig löst oder aber durch sein Verhalten eine fristlose Kündigung provoziert hat. Auch für die sonstige Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten (z.B. unzulässige Nebentätigkeit oder Verletzung von Geheimhaltungspflichten) werden Vertragsstrafen vereinbart.
Solche Vertragsstrafen sind nunmehr an § 309 Nr. 6 BGB zu messen. Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut:
„Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam …
6. (Vertragsstrafe) eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird; …“
Alte Rechtsprechung gilt nicht mehr!
Nach Auffassung des LAG Hamm kann an der bisherigen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung nicht mehr festgehalten werden. Die Vorschrift des § 309 BGB, die Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit enthält, gilt nach Auffassung des Gerichts aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts grundsätzlich auch im Arbeitsverhältnis. Auch das Klauselverbot des § 309 Nr. 6 BGB ist nunmehr auf Arbeitsverträge anzuwenden.
Mit anderen Worten: Die Vereinbarung der Zahlung einer Vertragsstrafe für den Fall, dass sich der eine Vertragsteile vom Vertrag löst, ist danach grundsätzlich unzulässig!
Besonderheiten des Arbeitsrechts?
Der grundsätzlichen Anwendung der §§ 305 – 310 BGB und damit der AGB-Kontrolle auf formularmäßige Arbeitsverträge kann allerdings noch der Vorbehalt des § 310 Abs. 4 BGB entgegenstehen. Danach sollen „bei der Anwendung auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen berücksichtigt werden.“
Das LAG Hamm sieht diesen Ausnahmetatbestand jedoch nicht als erfüllt an. Dass Vertragsstrafenvereinbarungen im Arbeitsrecht bislang weitgehend üblich sind, stellt keine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit im Sinne von § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB dar. Eine weite Auslegung der Ausnahmevorschrift würde dem Sinn und Zweck des Klauselverbots des § 309 Nr. 6 BGB und der grundsätzlichen Erstreckung der Inhaltskontrolle auch auf das Gebiet des Arbeitsrechts zuwider laufen.
Fazit damit: Die in § 11 des Arbeitsvertrages vereinbarte Vertragsstrafe verstößt gegen § 309 Nr. 6 BGB. Die Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheit nach § 310 Abs. 4 BGB führt zu keiner anderen Bewertung.
III. Vertragsstrafe unangemessen hoch
Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen hat das LAG Hamm zusätzlich ausgeführt, dass sich die vereinbarte Vertragsstrafe auch der Höhe nach als unzulässig erweist. Die in § 11 des Arbeitsvertrages vereinbarte Vertragsstrafe von einen Monatsverdienst hält auch einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht Stand.
Angesichts der bestehenden Kündigungsmöglichkeit während der Probezeit von 14 Tagen ist die vereinbarte Vertragsstrafe von einem Monatsverdienst unangemessen im Sinne des § 307 BGB und damit unwirksam. Zwar sind regelmäßig Vertragsstrafen in Höhe eines Monatsverdiensts nicht zu beanstanden. Bei einer kurzen Kündigungsfrist von 14 Tagen innerhalb der Probezeit gilt dies aber nicht. Die Arbeitnehmerin hätte selbst bei Antritt der Arbeit am 1. März 2002 das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 2 Wochen zum 15. März 2002 beenden können. Zudem verblieben der Arbeitgeberin nach Ausspruch der Kündigung am 27. Januar 2002 noch bis zum Vertragsbeginn am 1. März 2002 mehr als 4 Wochen, um eine Ersatzkraft zu suchen.
Eine Herabsetzung der der Höhe nach unwirksamen Vertragsstrafe nach § 343 BGB kommt nicht in Betracht. § 343 BGB ist lediglich auf Individualvereinbarungen zugeschnitten und kommt nur bei verwirkten, also wirksam vereinbarten Vertragsstrafen in Betracht.
Hinweis für die Praxis:
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm ist ausführlich und sorgfältig begründet. Auch hier gilt jedoch der Hinweis, dass eine abschließende Entscheidung der 3. Instanz, des Bundesarbeitsgerichts, noch aussteht. Bis zu einer endgültigen höchstrichterlichen Klärung besteht damit weiterhin ein erhebliches Risiko, dessen man sich bewusst sein muss.
Wir empfehlen, die weitere Entwicklung der Rechtsprechung, über die wir Sie zeitnah unterrichtet halten, zu verfolgen und ggf. vorformulierte Arbeitsvertragsmuster anzupassen.
Nachweise:
Landesarbeitsgericht Hamm, Urt. v. 24. 1. 2003 – 10 Sa 1158/02 -, NZA 2003, 499
Leitsätze:
1. Die formularmäßige Vereinbarung einer Vertragsstrafe wegen vertragswidriger Lösung vom Arbeitsvertrag ist nach § 309 Nr. 6 BGB seit dem 1. Januar 2002 unzulässig. Der Unzulässigkeit einer derartigen Vereinbarung stehen keine im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB entgegen.
2. Eine der Höhe nach gem. § 307 Abs. 1 BGB n.F. unwirksame Vertragsstrafe kann nicht nach § 343 BGB herabgesetzt werden.
Vgl. zur Vertragsstrafenproblematik auch die Urteile des Arbeitsgerichts Bielfeld vom 2. Dezember 2002 – 3 Ca 3733/02 -, unveröffentlicht, sowie Arbeitsgericht Duisburg, 14. August 2002, NZA 2002, 1038 = DB 2002, 1943; schließlich auch LAG Düsseldorf, Urt. v. 8. 1. 2003 – 12 Sa 1301/02 -, NZA 2003 S. 382
Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen
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