Die Bundesministerin der Justiz hat in der Rede, die sie beim Deutschen Juristentag in Bonn gehalten hat, auch über Planungen des Bundesjustizministeriums berichtet, das Unterhaltsrecht – erneut – zu ändern. Die Passage ihrer Rede, die sich mit diesem Thema befasst, lautet wörtlich (wobei wir die Kernaussagen hervorgehoben haben):
Lassen Sie mich aber zum Schluss die Gelegenheit nutzen, hier erstmals ein rechtspolitisches Vorhaben anzusprechen, das sicherlich viel Beachtung bei Experten und auch in der Öffentlichkeit finden wird – auch wenn es nicht auf dem Programm dieses djt steht. Es geht um das Unterhaltsrecht, für das wir noch in dieser Legislaturperiode eine Reform planen. Im Umfang wird sie überschaubar sein, in der Sache aber praktisch bedeutsame Änderungen bringen. Die Reform verfolgt vor dem Hintergrund geänderter gesellschaftlicher Verhältnisse und Wertvorstellungen zwei wesentliche Ziele: die Förderung des Kindeswohls und die Stärkung der nachehelichen Eigenverantwortung.
Im Vordergrund steht die Förderung des Kindeswohls. Dabei geht es um die Änderung der Rangfolge von Unterhaltsansprüchen in den sogenannten Mangelfällen: Wenn das zur Verfügung stehende Einkommen nicht für alle Unterhaltsberechtigten ausreicht, soll der Kindesunterhalt künftig Vorrang vor allen anderen Unterhaltsansprüchen haben. Nach heutiger Rechtslage muss sich das Kind den ersten Rang mit geschiedenen und aktuellen Ehegatten teilen. Die Änderung des Vorrangs wird dazu führen, dass die Anzahl minderjähriger Sozialhilfeempfänger reduziert wird. Und das ist dringend erforderlich. Zum Jahresende 2002 hatten wir die erschreckende Zahl von gut einer Million sozialhilfebedürftiger Kinder – das waren 37% der Empfänger von Sozialhilfe insgesamt. Über die Hälfte dieser Kinder, nämlich knapp 560.000, lebten bei alleinerziehenden Müttern. Deshalb sollen sich im zweiten Rang die Unterhaltsansprüche aller kinderbetreuenden Elternteile gleichberechtigt wiederfinden. Konkret: Sowohl die erste als auch die zweite Ehefrau, die Kinder zu betreuen haben, aber auch die nicht verheiratete Mutter werden hier gleich behandelt, weil sie in der gleichen Situation sind.
Das zweite wesentliche Ziel der Reform ist die Stärkung der nachehelichen Eigenverantwortung. Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist die heutige Privilegierung der ersten Ehefrau – unabhängig davon, ob sie Kinder zu versorgen hat – nicht mehr zeitgemäß. Die Gerichte sollen deshalb künftig mehr Möglichkeiten haben, den nachehelichen Unterhaltsanspruch zeitlich zu befristen oder der Höhe nach zu begrenzen. Dies wird vor allem den Zweitfamilien mit Kindern zugute kommen, die heute häufig mit hohen Unterhaltszahlungen an den ersten Ehegatten belastet sind. Die geplanten Änderungen bedeuten keine „Revolution“ im Unterhaltsrecht. Aber sie berücksichtigen eine veränderte gesellschaftliche Wirklichkeit und führen zu mehr Verteilungsgerechtigkeit für die, die es nötig haben: nämlich für die Kinder.
Detailinformationen über die geplanten Änderungen finden Sie hier.
Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Rainer Bosch
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