30.11.2005

1. Das Mitarbeitermodell:

Als Anreiz für verdiente Arbeitnehmer eines Unternehmens werden häufig gesellschaftsrechtliche Beteiligungen am Unternehmen in Form von Minderheitsbeteiligungen gewährt (sog. Mitarbeiterbeteiligung). Nach dem dahinterstehenden Unternehmenskonzept hat diese gesellschaftsrechtliche Beteiligung von Mitarbeitern die Funktion, diese Mitarbeiter stärker an das Unternehmen zu binden, ihre Motivation zu steigern und zugleich einen Anreiz für die übrigen Mitarbeiter zu schaffen, durch entsprechend loyales Verhalten ebenfalls in den Genuss einer Gesellschaftsbeteiligung zu kommen, die nicht nur zu einer Aufwertung ihrer Stellung im Unternehmen führt, sondern ihnen auch die Aussicht auf Auszahlung einer zusätzlichen Vergütung in Gestalt der Gewinnanteile verschafft. Die gesellschaftsrechtliche Beteiligung kann damit auch die Funktion einer Tantiemeregelung erfüllen.

Den Arbeitnehmern werden diese Geschäftsanteile häufig entweder unentgeltlich oder lediglich zum Nennwert übertragen. Zugleich verpflichten sich die Arbeitnehmer in diesem so genannten Mitarbeitermodell zur Rückübertragung der Anteile im Falle eines Ausscheidens aus den Diensten der Gesellschaft, was in aller Regel durch aufschiebend bedingte Rückabtretungsangebote geschieht. Als Kaufpreis für den Rückkauf ist dann ein Betrag vereinbart, der sich entweder nach dem Einheitswert des Betriebsvermögens, einem wertmäßig beschränkten Durchschnittsbetrag, nach dem Nennwert oder dem vom Mitarbeiter seinerzeit selbst aufgebrachten Kaufpreis richtet. Im Übrigen ist im Gesellschaftsvertrag der jeweiligen Gesellschaft bestimmt, dass eine Übertragung von Geschäftsanteilen nur mit Zustimmung der Gesellschaft zulässig ist (sogenanntes „Mitarbeitermodell„).

Wenn dann nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Geschäftsanteile wieder zurückgezogen bzw. zurückgekauft werden sollen, entsteht sehr häufig Streit über die Zulässigkeit solcher wie Hinauskündigungsklauseln wirkender Rückkaufs- und Rückabtretungsvereinbarungen und regelmäßig auch über den für die Anteile zu gewährenden Abfindungswert bzw. Rückkaufspreis.

2. Die Entscheidung des BGH:

Mit seinem Urteil vom 19. September 2005 (II ZR 342/03) hat der BGH Klarheit in die oft streitträchtigen Hinauskündigungssituationen gebracht und Hinauskündigungsklauseln im sogenannten „Mitarbeitermodell“ grundsätzlich gebilligt, ebenso wie mit Urteil vom selben Tag im sogenannten „Managermodell“ (Az.: II ZR 173/04 – vgl. auch http://www.mkvdp.de/aktuell/529.html).

a. Grundsatz: Hinauskündigungsklauseln sind sittenwidrig und damit nichtig

Zunächst stellt der BGH allerdings im Grundsatz fest, dass nach seiner mittlerweile ständigen Rechtsprechung in Personengesellschaften und GmbH gesellschaftsvertragliche Regelungen, die einem Gesellschafter, einer Gruppe von Gesellschaftern oder der Gesellschaftermehrheit das Recht einräumen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen („Hinauskündigungsklauseln“) grundsätzlich wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind. Das Gleiche gilt für eine neben dem Gesellschaftsvertrag getroffene schuldrechtliche Vereinbarung, die zum demselben Ergebnis führen soll. Denn der betroffene Gesellschafter ist schutzwürdig. Die freie Ausschließungsmöglichkeit kann von ihm als Disziplinierungsmittel empfunden werden, das ihn daran hindert, von seinen Mitgliedschaftsrechten nach eigener Entscheidung Gebrauch zu machen und seine Mitgliedschaftspflichten zu erfüllen („Damoklesschwert“).

b. Ausnahme: Hinauskündigungsklauseln sind aber wirksam, wenn sie wegen besonderer Umstände sachlich gerechtfertigt sind

Der Grundsatz der Nichtigkeit von Hinauskündigungsklauseln gilt jedoch nicht ausnahmslos. Eine an keine Voraussetzungen geknüpfte Hinauskündigungsklausel oder eine vergleichbare schuldrechtliche Regelung ist dann wirksam, wenn sie wegen besonderer Umstände sachlich gerechtfertigt ist.

So hat der entscheidende Senat freie Ausschließungsrechte als wirksam angesehen,

  • wenn der ausschließungsberechtigte Gesellschafter mit Rücksicht auf die enge persönliche Beziehung zu seiner Mitgesellschafterin die volle Finanzierung der Gesellschaft übernimmt und der Partnerin eine Mehrheitsbeteiligung und die Geschäftsführung einräumt,
  • wenn eine Praxisgemeinschaft von Ärzten einen neuen Gesellschafter aufnimmt und sich dabei eine zeitlich begrenzte Prüfungsmöglichkeit vorbehalten will
  • oder wenn die Gesellschaftsbeteiligung nur als Annex zu einem Kooperationsvertrag der Gesellschafter anzusehen ist und sichergestellt werden soll, dass der Gesellschaft nur die Partner des Kooperationsvertrages angehören.

Keine Bedenken hatte der Senat auch gegen eine Satzungsklausel, nach der in einer GmbH, in der alle Gesellschafter persönlich mitarbeiten, ein Geschäftsanteil eingezogen werden kann, wenn der betreffende Gesellschafter nicht mehr in dem Gesellschaftsunternehmen tätig ist.

In diesem Sinne hat derselbe Senat mit Urteil ebenfalls vom 19. September 2005 (Az.: II ZR 173/04) entschieden, dass im Rahmen eines „Managermodells“ der Geschäftsführer einer GmbH wirksam verpflichtet werden kann, seinen ihm mit Rücksicht auf seine Geschäftsführerstellung überlassenen Geschäftsanteil nach Beendigung seiner Geschäftsführertätigkeit zurückzugeben.

Das müsse für das „Mitarbeitermodell“ erst recht gelten. Denn hier liege schon keine freie Hinauskündigungsmöglichkeit vor. Der Mehrheitsgesellschafter kann die Gesellschafterstellung der Mitarbeiter-Gesellschafter nicht ohne sachlichen Grund beenden. Der Verlust der Gesellschafterstellung ist vielmehr an eine objektive Voraussetzung gebunden, nämlich an den Verlust des Arbeitsplatzes, und insoweit besteht insbesondere im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes keine Möglichkeit zu einem willkürlichen Handeln des Mehrheitsgesellschafters. Denn dann können Arbeitnehmer nicht ohne Grund entlassen werden.

c. Kein Verstoß gegen den gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz

Die Vereinbarung einer Pflicht zur Rückübertragung des Geschäftsanteils bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nach Auffassung des BGH auch nicht wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz unwirksam. Denn die Ungleichbehandlung beruht regelmäßig auf einem sachlichen, sie rechtfertigenden Grund. Der Mehrheitsgesellschafter ist nämlich regelmäßig Unternehmensgründer und stellt auch das erforderliche Kapital zur Verfügung. Die Mitarbeiter-Gesellschafter legen dagegen in aller Regel kein Kapital ein, sondern bezahlen allenfalls einen Kaufpreis für ihre Anteile. Bei dieser Sachlage sieht der BGH keine Bedenken gegen eine Regelung, wonach die Mitarbeiter-Gesellschafter und nicht auch der Mehrheitsgesellschafter bei Beendigung der Tätigkeit für die Gesellschaft zur Rückgabe ihrer Geschäftsanteile verpflichtet sind.

d. Keine unzulässige Kündigungsbeschränkung im Sinne des § 622 Abs. 6 BGB

Die satzungsmäßige Rückübertragungsklausel ist auch nicht nach §§ 134, 622 Abs. 6 BGB nichtig. Denn es handelt sich nicht um eine unzulässige Kündigungsbeschränkung im Sinne des § 622 Abs. 6 BGB. Zwar wird dem Arbeitnehmer dadurch die Entscheidung, seinen Arbeitsvertrag zu kündigen, insofern erschwert, als er auch seine Gesellschafterstellung aufgeben muss; es handele sich dabei allerdings lediglich um eine ungünstige Reflexwirkung der Kündigung. Danach ist die Verknüpfung der Beendigung – und damit auch der Kündigung – des Arbeitsvertrages mit dem Wegfall der Gesellschafterstellung im Rahmen eines wie hier beschrieben praktizierten „Mitarbeitermodells“ nach der Rechtsprechung des Senats nicht zu beanstanden.

Das finanzielle Risiko der Mitarbeiter-Gesellschafter sei auch noch dadurch gemindert, dass sie für den Erwerb ihrer Geschäftsanteile regelmäßig einen unter dem Verkehrswert liegenden Kaufpreis zahlen müssen. Im Ergebnis hätten die Mitarbeiter danach eine treuhänderähnliche Stellung, deren wirtschaftlicher Wert – bei denkbar geringem eigenen Risikos – mit dem erheblichen Gewinnausschüttungspotential während der Dauer der dienstvertraglichen Bindung an der Gesellschaft liegt. Mit deren Beendigung sei es selbstverständlich, dass die weitere Beteiligung an der Gesellschaft ihren rechtfertigenden Sinn – die Bindung an das Unternehmen, Motivationssteigerung und Belohnung für geleistete Dienste – verliert. Nur durch die Rückübertragung werde dem Mehrheitsgesellschafter zudem die Möglichkeit eröffnet, andere verdiente Mitarbeiter mit Geschäftsanteilen auszustatten und das in der Satzung niedergelegte Mitarbeitermodell weiterhin durchzuführen. Dagegen führte eine Teilhabe an den künftigen Wertzuwächsen des Gesellschaftsvermögens ohne die weitere Mitarbeit zu einem unverdienten Vermögensvorteil des ausgeschiedenen Mitarbeiters, so der BGH.

e. Keine unwirksame Abfindungsbeschränkung

Auch die Abfindungsbeschränkung auf den Betrag, den der Mitarbeiter für den Erwerb seines Geschäftsanteils gezahlt hatte, sei wirksam. Zwar hat ein ausscheidender Gesellschafter grundsätzlich einen Anspruch auf Abfindung in Höhe des Verkehrswerts seines Geschäftsanteils; dieser Grundsatz gilt aber nicht ausnahmslos. Im Falle eines Mitarbeitermodells sei die Einschränkung dieses Grundsatzes vielmehr sachlich gerechtfertigt, weil die Abfindungsbeschränkung dazu führen soll, das Mitarbeitermodell auch für zukünftige Generationen von Mitarbeitern noch finanzierbar zu halten. Vor diesem Hintergrund sei es nach Ansicht des Senats sogar zulässig, bei einem unentgeltlich erworbenen Anteil eine Abfindung auch ganz entfallen zu lassen.

3. Hinweis:

Mit diesem Urteil schafft der BGH für das so genannte Mitarbeitermodell Klarheit. Der Mehrheitsgesellschafter ist bei Anwendung des Mitarbeitermodells gut beraten, sein Unternehmenskonzept und das Modell selbst von vornherein sorgfältig zu dokumentieren und das Mitarbeitermodell anhand der Leitlinien des BGH zu gestalten. Risikoträchtige Auseinandersetzungen mit ehemaligen Mitarbeiter-Gesellschaftern, deren Ausgang bislang häufig ungewiss war, können so von vornherein vermieden werden. Damit könnten auch viele schmerzliche und teuere Vergleiche erspart bleiben.

Tipp: Unternehmen sollten die sich jetzt sehr rechtsicher ergebende Möglichkeit nutzen und wegen der damit einhergehenden Vorteile ernsthaft über die Einführung von Mitarbeiterbeteiligungsmodellen nachdenken.

Verfasser: RA & StB Andreas Jahn

 

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