25.07.2007

Ermittlung des Anschlussinhabers bei Tauschbörsen-Strafverfahren ist unzulässig

In einem Aufsehen erregenden Beschluss hat das Amtsgericht Offenburg der dortigen Staatsanwaltschaft untersagt, die Personalien eines mutmaßlichen Musik-Tauschbörsennutzers anhand seiner IP-Adresse durch eine Anfrage bei dem zuständigen Internetprovider herauszufinden.

In dem Verfahren hatte offenbar jemand über eine illegale Tauschbörse Musik aus dem Internet auf seinen Rechnr geladen, wobei das dafür verwendete Programm zugleich den Tauschbörsennutzern die Möglichkeit eröffnete, vom Rechner des Nutzers andere dort gespeicherte Stücke herunter zu laden.

Nach Auffassung des Gerichts ist das Anbieten weniger (!) urheberrechtlich geschützter Musikstücke über einen Tauschbörsen-Client „der Bagatellkriminalität zuzuordnen“.

Hintergrund des Verfahrens ist die Praxis der Musikindustrie, mit Hilfe von „Massenstrafanzeigen“ gegen illegale Tauschbörsen vorzugehen und nach Ermittlung der Tauschbörsennutzer die ermittelten Adressen zu nutzen, um die Nutzer dann zivilrechtlich abmahnen zu können.

Das Gericht begründet seine Entscheidung wie folgt:

Bei den zu ermittelnden Daten des Anschlussinhabers handelt es sich um so genannte Verkehrsdaten, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen. Deshalb müsse die Ermittlungsmaßnahme gemäß § 100g StPO richterlich angeordnet werden.

Allerdings sei die Ermittlung des Anschlussinhabers gemessen an der Schwere des Tatvorwurfs sowie dem Grad des Tatverdachts nicht verhältnismäßig ist. Die von der Musikindustrie beauftragte Kanzlei hatte eine Fraunhofer-Studie ins Feld geführt, nach der in den Jahren 2001 und 2002 jeweils über fünf Milliarden Musikdateien verbreitet worden seien. Das Gericht bestritt diese Zahlen nicht, vermochte darin aber keinen „strafrechtlich relevanten Schaden“ zu erkennen, zumal die Anzeigeerstatterin dem Beschuldigten lediglich einen Download nachgewiesen hatte, nämlich den zur Beweisführung getätigten.

Das vom Tauschbörsennutzer angebotene Musikstück sei legal für weniger als einen Euro zu erwerben gewesen. Dies sei aber keinesfalls mit dem entgangenen Umsatz gleichzusetzen, denn es gelte „hier wie überall, wo der Markt regiert: Beim Preise 0 fragt auch derjenige ein Produkt nach, für das er sonst nicht mal einen Cent ausgeben würde.“ Zur Bekräftigung führte das Gericht eine Studie der Universität Harvard aus dem Jahr 2004 an, wonach der Schaden, welcher der Musikindustrie durch Tauschbörsen entsteht, gegen Null tendiere.

Ohnehin sei auch zweifelhat, ob der Nutzer vorsätzlich Musik zum Download von seinem Rechner angeboten habe. Eine US-amerikanische Studie von 2006 habe überzeugend dargelegt, dass Clients zu fünf gängigen P2P-Netzwerken Programmkomponenten aufweisen, „die einen Zwangsupload zur Folge haben, ohne dass der jeweilige Nutzer, der im vorliegenden Fall als Täter anzusprechen wäre, dies erkennen könne“. Außer im Falle eines Geständnisses sei folglich „der Nachweis, er sei nicht auf die teils verborgenen und schwer entdeckbaren Redistributionsprogrammteile hereingefallen, kaum zu führen“.

Schließlich berücksichtigte das Gericht auch die Vorgehensweise der Musikindustrie bei seiner Abwägung: Deren Strafanzeigen haben nämlich „ersichtlich den Zweck, den über die Ermittlungen festgestellten Anschlussinhaber später zivilrechtlich als Störer auf Unterlassung, weit überwiegend aber auf Zahlung hohen, meist unberechtigten Schadensersatzes in Anspruch zu nehmen“. Ein eigener Auskunftsanspruch gegen die Provider auf Offenlegung der Nutzerdaten steht der Musikindustrie aber nicht zu. In dem sie „den Strafverfolgungsbehörden mehrere 10.000 Strafanzeigen beschert“, wolle sie folglich Auskünfte erhalten, die ihr „der Gesetzgeber bewusst versagt hat“.

Fazit:

Der Beschluss dürfte bundesweit auf großes Interesse stoßen. Nachdem schon seit längerem die Massenstrafanzeigen der Musikindustrie Staatsanwaltschaften und Gerichte erheblich belasten, kann man erwarten, dass sich andere Gerichte dieser Rechtsprechung anschließen

Tauschbörsennutzer sollten aber nicht zu früh jubeln: Denn die vom Gericht angenommene Bagatellgrenze ist sicherlich überschritten, wenn sich nicht nur einzelne Musikstücke, sondern eine erhebliche Anzahl illegaler Downloads auf dem Rechner des Nutzers befinden und von dort wieder anderen Nutzern zum Download angeboten werden.

Mitgeteilt von Alexander Knauss, Rechtsanwalt, Bonn

Quelle: heise online, Meldung vom 26.07.2007

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