Das Befristungskontrollrecht ist eine schwierige Materie. Die Zulässigkeit von Befristungen soll zwar zu mehr Beschäftigungen führen. In der Praxis ist aber das Gegenteil der Fall. Die zahlreichen Fallstricke des Befristungsrechts führen immer wieder dazu, dass die Voraussetzungen des Befristungsrechts nicht vorliegen und Mitarbeiter die Entfristung geltend machen. Nur bei genauer Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung können befristete Arbeitsverträge rechtssicher vereinbart werden. Wir möchten eine aktuelle Entscheidung des BAG vorstellen. Ein Arbeitgeber hatte einen Auszubildenden nach bestandener Abschlussprüfung mehrfach befristet beschäftigt und sich dabei auf das Befristungsprivileg des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG (Befristung im Anschluss an eine Ausbildung) berufen ( [1] BAG, Urt. v. 10.10.2007 – 7 AZR 795/06).
Der Sachverhalt der Entscheidung:
Die klagende Arbeitnehmerin absolvierte an der Fachhochschule eine Ausbildung zur Bürokommunikationskauffrau, die sie am 23. Juli 2003 erfolgreich abschloss. Nach einem Erlass des Bundesministeriums des Inneren kann mit ehemaligen Auszubildenden nach bestandener Abschlussprüfung ein auf 24 Monate befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen werden. Die Parteien vereinbarten einen befristeten Arbeitsvertrag nach dessen § 1 die Klägerin ab dem 24. Juli 2003 bei der Fachhochschule
„nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 TzBfG i.V.m. Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1a SR 2y BAT wegen Vorliegen eines sachlichen Grundes (Befristung im Anschluss an eine Ausbildung, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern)“
als Zeitangestellte bis zum 23. Juli 2004 eingestellt wurde. Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich nach dem BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich des Bundes jeweils geltenden Fassung, insbesondere nach den SR 2y BAT.
Mit weiterem Änderungsvertrag vereinbarten die Parteien die Vertragsverlängerung bis zum 26. Juni 2005 und mit einem letzten Änderungsvertrag wurde die Vertragslaufzeit nochmals bis 23. Juli 2005 verlängert.
Die Arbeitnehmerin hat noch innerhalb der Drei-Wochen-Frist nach Ablauf der Befristung am 12. August 2005 Entfristungsklage beim Arbeitsgericht eingereicht. Die Befristung sei mangels eines rechtfertigenden Sachgrundes unwirksam. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG lägen nicht vor.
Das Arbeitsgericht und auch das Landesarbeitsgericht haben die Entfristungsklage abgewiesen.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:
Das BAG hat hingegen in der Revision die Vorinstanzen aufgehoben und festgestellt, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
I. Kontrolle nur der letzten Befristung
Das Bundesarbeitsgericht hat zunächst seine zuständige Rechtsprechung bestätigt, wonach bei mehreren aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen grundsätzlich nur die in dem zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrag vereinbarte Befristung der gerichtlichen Kontrolle unterliegt.
Hinweis für die Praxis:
Nur ausnahmsweise kann auch die in einem vorangegangenen Vertrag vereinbarte Befristung der gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden, wenn die Parteien dem Arbeitnehmer bei Abschluss des letzten befristeten Arbeitsvertrages das Recht vorbehalten haben, die in dem früheren Vertrag vereinbarte Befristung gerichtlich überprüfen zu lassen. Hierzu bedarf es aber einer besonderen Vereinbarung, die vorliegend nicht verabredet wurde.
II. Anschluss an die Ausbildung und Befristungsdauer
Das Befristungsrecht sieht in § 14 TzBfG Befristungen mit Sachgrund (Abs. 1) und Befristungen ohne Sachgrund (Abs. 2) vor. Die Befristung ohne Sachgrund ist für maximal zwei Jahre zulässig, wenn es sich um eine Neueinstellung handelt und mit demselben Arbeitgeber nicht bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.
In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass im Anschluss an eine Ausbildung die Erstbefristung für die Dauer von maximal zwei Jahren ohne Sachgrund zulässig und möglich ist. Das Ausbildungsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 14 Abs. 2 TzBfG.
Der Arbeitgeber hätte deshalb im vorliegenden Fall grundsätzlich die Mitarbeiterin im Anschluss an ihre Ausbildung für die Dauer von maximal zwei Jahren beschäftigen können. Während dieser Zeit ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren möglich.
Aber: Auf dieses Privileg konnte sich der Arbeitgeber nicht stützen, da zusätzlich die besonderen Regelungen des öffentlichen Dienstes der SR 2y BAT Anwendung fanden.
III. Besonderheiten des öffentlichen Dienstes
Im vorliegenden Fall waren neben den Vorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) auch die speziellen Regelungen des öffentlichen Dienstes vereinbart. Der BAT und die speziellen Befristungsvorschriften der SR 2y BAT sehen unter anderem vor, dass im Arbeitsvertrag angegeben wird, worauf sich die Befristung stützt. Insbesondere ist anzugeben, ob es sich um eine Befristung mit Sachgrund oder eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG handelt.
Die zuvor dargestellte Möglichkeit, im Anschluss an eine Ausbildung eine sachgrundlose Befristung für die Dauer von zwei Jahren zu verabreden, war deshalb hier für die Parteien nicht möglich. Die Prüfung erfolgte allein nach Maßgabe des Sachgrundes des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG. Hierauf hatten sich die Arbeitsparteien vertraglich geeinigt.
IV. Sachgrund „Anschluss an die Ausbildung“
Die Verträge mit der Arbeitnehmerin verwiesen ausschließlich auf den in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG normierten Sachgrund. Das BAG hat aber nun klargestellt (anders als die Vorinstanzen), dass ein auf diesen Sachgrund gestützter Arbeitsvertrag nur einmalig vereinbart werden kann. Die mehrfache Verlängerung ist hingegen nicht zulässig.
Voraussetzung für die zulässige Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium ist, dass sie im Anschluss erfolgt. Aus dem Merkmal „Anschluss“ ergibt sich, dass es sich um die Befristung eines ersten Arbeitsvertrages handeln muss, den der Arbeitnehmer nach dem Ende der Ausbildung oder des Studiums abschließt. Ein zwischenzeitliches Arbeitsverhältnis schließt daher eine Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG aus. Bestand nach der Ausbildung bereits ein Arbeitsverhältnis, erfolgt die Befristung nicht im Anschluss an die Ausbildung, sondern im Anschluss an die zwischenzeitliche Beschäftigung.
Diese am Wortlaut der Vorschrift orientierte Auslegung entspricht auch deren Sinn und Zweck. Dieser besteht darin, Berufsanfängern den Berufsstart zu erleichtern, in dem es ihnen ermöglicht wird, im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses Berufserfahrung zu sammeln und dadurch ihre Einstellungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Dieser Zweck ist erreicht, sobald der Arbeitnehmer das erste (befristete oder unbefristete) Arbeitsverhältnis nach dem Studium oder der Ausbildung eingeht. Damit ist der Start in das Berufsleben erfolgt. Eine wiederholte Befristung ist deshalb nach dem Normzweck nicht zulässig.
Im vorliegenden Fall wurde im Anschluss an die Ausbildung gestützt auf den speziellen Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG aber nicht nur ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart, sondern zwei weitere. Diese beiden weiteren Arbeitsverhältnisse waren aber nach dem speziellen Sachgrund „Anschluss an die Ausbildung“ nicht mehr gerechtfertigt. Andere Sachgründe lagen nicht vor. Die Befristung war damit unzulässig.
Fazit:
Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass auf die Formulierung von Befristungsverträgen größtmögliche Sorgfalt verwandt werden muss. Im Geltungsbereich von Tarifverträgen, hier öffentlicher Dienst, müssen zudem die speziellen tariflichen Vorschriften zusätzlich beachtet werden. Der Arbeitgeber wäre im vorliegenden Falle gut beraten gewesen, nicht den speziellen Sachgrund „Anschluss an die Ausbildung“ zu vereinbaren.
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