26.10.2008 -

 

Das Befristungsrecht enthält viele Fallstricke. Dies betrifft vor allem die Einhaltung der notwendigen Schriftform nach § 14 Abs. 4 TzBfG. Befristete Arbeitsverträge sind nur dann wirksam, wenn sie auch schriftlich vereinbart werden. Die Schriftform muss vor der Arbeitsaufnahme vereinbart worden sein. Die Rechtsprechung ist hier sehr formal. Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings in einem aktuellen Urteil entschieden, dass die Unterzeichnung durch den Arbeitnehmer erst nach Arbeitsaufnahme in bestimmten Fällen dennoch zu einem wirksamen Arbeitsvertrag führt (BAG, Urt. v. 16.4.2008 – 7 AZR 1048/06). Die wichtige Entscheidung möchten wir nachfolgend für die betriebliche Praxis besprechen.

 

Der Fall:

Der klagende Arbeitnehmer war bei dem beklagten Arbeitgeber als Industriemechaniker eingestellt. Die Beschäftigung erfolgte zunächst aufgrund zweier befristeter Arbeitsverträge bis zum 31. Januar 2004 bzw. zum 31. Dezember 2004.

Am 6. Dezember 2004 erstellte der Personalleiter einen Arbeitsvertrag in Form eines Anschreibens an den Kläger. Dem Anschreiben ging ein Personalgespräch voraus. In diesem Gespräch teilte der Personalleiter dem Kläger mit, dass eine befristete Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz möglich sei.

Das Anschreiben lautete auszugsweise wie folgt:

„Wir stellen Sie als Produktionsfacharbeiter für unser Werk in der Werkstatt … ein. Das Arbeitsverhältnis beginnt am 1. Januar 2005 und endet am 30. Juni 2005, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

 

Die Einstellung erfolgt befristet nach § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz, aufgrund des Besuchs der Technikerschule eines unserer Mitarbeiter.

 

Diesen Vertrag erhalten Sie in doppelter Ausfertigung. Schicken Sie uns bitte die Kopie möglichst bald unterschrieben zurück.“

Der Arbeitgeber übersandte den von ihm bereits unterzeichneten Arbeitsvertrag in zweifacher Ausfertigung. Arbeitsaufnahme war am 4. Januar 2005 um 14:00 Uhr. An diesem Tag übergab der Arbeitnehmer nach Schichtbeginn das von ihm unterzeichnete Exemplar des Arbeitsvertrages.

Mit seiner fristgerecht beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage machte der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Befristungsabrede geltend. Das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG sei durch die Unterzeichnung erst nach Schichtbeginn am 4. Januar 2005 nicht mehr gewahrt. Die Unterzeichnung habe damit nicht vor Arbeitsbeginn stattgefunden. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

 

Die Entscheidung:

Das BAG hat im Revisionsverfahren die Entscheidung der Vorinstanzen bestätigt und die Befristungsklage ebenfalls zurückgewiesen.

 

I. Grundsätze zur Schriftform bei Befristungen

Eine Befristungsabrede ist nichtig, wenn sie nicht vor Vertragsbeginn schriftlich erfolgte. In diesen Fällen entsteht dann tatsächlich ein unbefristeter Arbeitsvertrag.

Dies gilt auch dann, wenn die Parteien vor Vertragsbeginn die Befristung des Arbeitsvertrages zunächst mündlich vereinbaren und sie dann die mündlich getroffene Befristungsabrede in einem nach Vertragsbeginn unterzeichneten Arbeitsvertrag schriftlich festhalten. Auch in diesem Fall ist die zunächst mündlich vereinbarte Befristung nach § 14 Abs. 4 TzBfG i.V.m. § 125 Satz 1 BGB nichtig. Bei Vertragsbeginn entsteht wiederum ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die spätere schriftliche Niederlegung der zunächst nur mündlich vereinbarten Befristung führt nicht dazu, dass die zunächst formnichtige Befristung rückwirkend wirksam wird (Ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. BAG, Urt. v. 16.3.2005 – 7 AZR 289/04, NZA 2005, 923; BAG, Urt. v. 1.12.2004 – 7 AZR 198/04, NZA 2005, 575).

 

Hinweis für die Praxis:

Ausnahmsweise kann in diesen Fällen die unwirksame Befristungsabrede dann geheilt werden, wenn ein die Befristung rechtfertigender sachlicher Grund vorliegt. In diesen Fällen können die Vertragsparteien die unwirksame Befristung „retten“, wenn sie mit eigenständigen Erklärungen zu erkennen geben, dass ihnen die Formnichtigkeit bekannt ist und sie dennoch den Abschluss eines wirksamen befristeten Arbeitsvertrages vereinbaren möchten. Dies gilt allerdings nur bei Befristungen mit Sachgrund. Bei der sachgrundlosen Befristung kommt eine nachträgliche Heilung nicht mehr in Betracht.

 

II. Vorbehalt eines schriftlichen Vertragsabschlusses durch den Arbeitgeber

Die Rechtslage ist jedoch anders zu beurteilen, wenn der Arbeitgeber den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages von der Unterzeichnung der Vertragsurkunde durch den Arbeitnehmer abhängig gemacht hat. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber dem sich aus § 14 Abs. 4 TzBfG ergebenden Schriftformgebot entsprechen will und seine auf den Vertragsschluss gerichtete Erklärung nur durch eine die Befristungsform genügende Unterzeichnung des Arbeitsvertrages angenommen werden kann. Dieser Vorbehalt wird nach dem BAG in folgenden Fällen angenommen:

1.   Ausdrücklicher Vorbehalt wird mündlich (nachweisbar) erklärt;

2.   Schriftliche Niederlegung des Vorbehalts in einem Anschreiben oder

3.   Übersendung bereits unterschriebener Vertragsformulare mit der Bitte um Unterzeichnung.

In allen drei Fällen macht der Arbeitgeber hinreichend deutlich, dass der Vertrag nur bei Wahrung des Schriftformerfordernisses zu Stande kommen soll. Durch die bloße Arbeitsaufnahme kann der Arbeitnehmer das ihm vorliegende schriftliche Vertragsangebot des Arbeitgebers nicht annehmen. Dies ist ihm nur durch die Unterzeichnung der Vertragsurkunde möglich.

 

Hinweise für die Praxis:

Die strenge Rechtsprechung des BAG zur Wahrung der Schriftform gilt nach dieser aktuellen Entscheidung nicht mehr uneingeschränkt. Macht der Arbeitgeber den Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages von der Unterzeichnung abhängig, reicht auch die nach Arbeitsaufnahme erfolgte Unterzeichnung zur Wahrung der Schriftform noch aus. Dies setzt freilich voraus, dass der entsprechende Vorbehalt des Arbeitgebers auch nachweisbar erfolgt ist und dass die unterzeichneten Vertragsurkunden so rechtzeitig übersandt wurden, dass eine Rücksendung (theoretisch) vor Vertragsbeginn möglich war. Der Praxis ist wegen verbleibender Unsicherheit weiter zu empfehlen, auf die Einhaltung der Schriftform vor Arbeitsaufnahme zu achten und keinen befristet eingestellten Arbeitnehmer seine Tätigkeit beginnen zu lassen, wenn der Arbeitsvertrag nicht zuvor unterzeichnet wurde.

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