01.11.2009 -

 

Im Falle einer sozialwidrigen Kündigung kann der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen nach §§ 9, 10 KSchG einen Auflösungsantrag stellen. Trotz Unwirksamkeit der Kündigung wird das Arbeitsverhältnis dann gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe das Gericht festsetzt, aufgelöst. Voraussetzung ist, dass die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung allein auf der Sozialwidrigkeit, also aus Gründen nach dem Kündigungsschutzgesetz, beruht. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung seine Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Antragstellung präzisiert, fortgesetzt und damit gefestigt (BAG, Urt. v. 28.8.2008 – 2 AZR 63/07). Wir möchten die Entscheidung zum Anlass nehmen, die wesentlichen Anforderungen an eine wirksame Antragstellung für die Praxis darzustellen.

 

Der Sachverhalt der Entscheidung:

Der klagende Arbeitnehmer war seit 1. September 2001 bei dem beklagten Arbeitgeber als Sachbearbeiter, zuletzt im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende, beschäftigt. Der Monatsverdienst betrug etwa 3.000,00 € brutto.

Nach mehreren Abmahnungen beginnend ab Oktober 2003 wurde der Personalrat im März 2004 zu einer beabsichtigten verhaltensbedingten Kündigung angehört. Nach schriftlicher Zustimmung des Personalrats kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 13. Mai 2004 zum 30. Juni 2004.

Mit seiner dagegen fristgerecht erhobenen Kündigungsschutzklage machte der Arbeitnehmer u.a. geltend, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Darüber hinaus sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden, denn dieser sei über die Kündigungsgründe nur pauschal und unzureichend unterrichtet worden. Auch habe der Arbeitgeber dem Personalrat die Gegendarstellungen zu einzelnen Abmahnungen nicht vorgelegt.

Mit einem 23-seitigen Schreiben (!) vom 20. März 2005 wandte sich ein enger Freund des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber und beanstandete die aus seiner Sicht ungerechtfertigte Kündigung des Klägers. Er nahm dabei auf firmeninterne Unterlagen, die ihm offensichtlich bekannt waren, Bezug. Außerdem verwies er darauf, dass die von ihm vorgefundenen Dokumente sicherlich für die Presse sehr interessant seien.

Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis erneut vorsorglich fristlos, hilfsweise ordentlich.

Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 13. Mai 2004 nicht aufgelöst worden ist. Der Arbeitgeber hat mit seiner dagegen erhobenen Berufung den auf Abweisung der Kündigungsschutzklage gerichteten Antrag weiterverfolgt und diesen zusätzlich mit einem Auflösungsantrag verbunden. Zur Begründung des Auflösungsantrages hat der Arbeitgeber geltend gemacht, aus dem Schreiben vom 20. März 2005 ergeben sich grobe Verstöße des Klägers gegen seine Verschwiegenheitspflicht und gegen Datenschutzbestimmungen. Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei künftig nicht mehr zu erwarten.

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2004 aufgelöst. Hiergegen richtet sich der Arbeitnehmer mit seiner Revision.

 

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat der Revision des Arbeitnehmers stattgegeben und den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

 

I. Auflösungsantrag nur bei sozialwidriger Kündigung zulässig

Das Bundesarbeitsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein Arbeitgeber nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auch im Fall einer sozialwidrigen ordentlichen Kündigung nur verlangen kann, wenn die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung allein auf der Sozialwidrigkeit, nicht jedoch auf anderen Gründen im Sinne des § 13 Abs. 3 KSchG beruht. Das arbeitsrechtliche Schrifttum hat sich dieser Auffassung überwiegend angeschlossen.

In der vorliegenden Entscheidung hat der zuständige 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts sich mit seiner Rechtsprechung nochmals eingehend und intensiv auseinandergesetzt. Alle Gegenargumente wurden detailliert abgehandelt. Die lesenswerte Entscheidung kann zur Lektüre empfohlen werden. Die dogmatischen Erwägungen möchten wir hier im Einzelnen aus Platzgründen nicht erläutern.

 

II. Andere Unwirksamkeitsgründe müssen geprüft werden

Beruft sich ein Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess auch auf andere Unwirksamkeitsgründe, z.B. die fehlerhafte Personalrats- bzw. Betriebsratsanhörung, reicht es für die Unwirksamkeit der Kündigung und die richterlichen Feststellungen grundsätzlich aus, wenn ein Unwirksamkeitsgrund bejaht wird. Das Gericht ist nicht verpflichtet und gehalten, sich auch mit allen anderen möglichen Unwirksamkeitsgründen zu befassen.

Aber: Stellt der Arbeitgeber den Auflösungsantrag nach § 9 KSchG, ist dies anders! Wegen der zuvor genannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach der arbeitgeberseitige Auflösungsantrag nur dann möglich ist, wenn die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung allein auf der Sozialwidrigkeit beruht, müssen etwaige andere Unwirksamkeitsgründe geprüft werden. Ist nämlich eine Kündigung sowohl nach § 1 KSchG als auch aus anderen Gründen unwirksam, ist sie nicht allein sozialwidrig. Ein Auflösungsantrag ist dann nicht mehr zulässig.

So lag der Fall hier. Der Arbeitnehmer hatte sich nicht nur auf die Sozialwidrigkeit, sondern u.a. auch auf die fehlerhafte Personalratsanhörung berufen. Hiermit hatte sich aber das Landesarbeitsgericht nicht befasst. Der Rechtsstreit wurde deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Die 2. Instanz wird der Frage nachzugehen haben, ob der Personalrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt wurde.

 

Hinweis für die Praxis:

Arbeitgeber, die bereits vor Ausspruch der Kündigung an einen Auflösungsantrag denken, sollten sich über mögliche andere Unwirksamkeitsgründe Klarheit verschaffen und entsprechende Sorgfalt walten lassen. Arbeitnehmer, die einen Auflösungsantrag abwehren möchten, werden sich im Rechtsstreit auf alle in Betracht kommenden Unwirksamkeitsgründe berufen, um sich alle Rechte offen zu halten.

 

Fazit:

Das Bundesarbeitsgericht hat an seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten. Die Praxis kann sich hierauf einstellen. Hinzuweisen ist schließlich noch darauf, dass die Rechtsprechung – anders als dem Arbeitgeber – dem Arbeitnehmer den Auflösungsantrag auch dann zubilligt, wenn sich die Unwirksamkeit der Kündigung aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit ergibt.

 

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