07.03.2010 -

 

Die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft) verhindert die Tarifbindung an die von dem Verband abgeschlossenen Tarifverträge. Die Wirksamkeit einer solchen Mitgliedschaft hat das Bundesarbeitsgericht bereits bejaht. Arbeitgeberverbände können in ihren Satzungen selbst definieren, ob eine Mitgliedschaft mit Tarifbindung begründet oder beendet werden soll. Das Bundesarbeitsgericht hat nun seine Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Satzung eines Arbeitgeberverbandes präzisiert (BAG, Urt. v. 22.4.2009 – 4 AZR 111/08 -, BB 2009, 1013). Wir möchten die wesentlichen Hinweise des Vierten Senates für die Praxis nachfolgend erläutern.

I. Ausgangslage

Die OT-Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband hat zur Folge, dass der Arbeitgeber an die Tarifverträge des Verbandes nicht gebunden ist. Tritt er von vornherein als OT-Mitglied ein, ist er zu keinem Zeitpunkt an die Tarifverträge gebunden. Viele Satzungen sehen aber auch vor, dass Mitglieder jederzeit in den OT-Status wechseln können. In diesem Fall bleibt die Bindung an den bisherigen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 3 TVG bzw. § 4 Abs. 5 TVG erhalten, bis es zu Änderungen des Tarifvertrages kommt. Alle Änderungen bzw. Neuabschlüsse gelten dann für das OT-Mitglied nicht mehr.

In dem der hier zu besprechenden Entscheidung zugrunde liegenden Fall wechselte der Arbeitgeber in den OT-Status und gab die günstigeren Tarifänderungen ab dem Zeitpunkt des Wechsels dann (konsequent) nicht mehr an die Arbeitnehmer weiter. Die Arbeitnehmerin berief sich in ihrem Prozess auf die Unwirksamkeit des Wechsels und auf die damit fortbestehende Tarifbindung und machte die weitergehenden tariflichen Ansprüche im Wege einer Zahlungsklage geltend. Maßgeblich für die Beurteilung war damit die Frage, ob die Satzung des Arbeitgeberverbandes rechtswirksam war und ein zulässiger Wechsel in den OT-Status erfolgt ist.

II. Eindeutige Trennung notwendig!

Die Verbandsmitgliedschaft mit Tarifbindung gem. § 3 Abs. 1 TVG muss von einer Verbandsmitgliedschaft ohne Tarifbindung eindeutig abgrenzbar sein. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie erfordert im Hinblick auf den Abschluss von Tarifverträgen und deren zwingende normative Wirkung den Gleichlauf von Verantwortlichkeit und Betroffenheit bezüglich der tariflichen Vereinbarungen. Nur so ist die Unterwerfung der Mitglieder unter die Norm des Tarifvertrages legitimiert. Die zu treffenden Entscheidungen im Rahmen der Tarifvertragsverhandlungen können und dürfen nur von denjenigen Verbandsmitgliedern getroffen werden, die an den verhandelten und letztlich vereinbarten Tarifvertrag auch später gebunden sind. Dies schließt es aus, dass OT-Mitglieder an diesen Entscheidungen beteiligt werden.

III. Anforderungen an die Verbandssatzung

Die Satzung eines Arbeitgeberverbandes kann für die OT-Mitgliedschaft nicht lediglich die Rechtsfolgen der Tarifbindung des § 3 Abs. 1 TVG abbedingen. Die Satzung muss darüber hinaus für Tarifangelegenheiten eine klare und eindeutige Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und ohne Tarifbindung vorsehen. Eine unmittelbare Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen ist nicht zulässig. OT-Mitglieder dürfen daher nicht in Tarifkommissionen entsandt werden, den Verband im Außenverhältnis nicht tarifpolitisch vertreten und nicht in Aufsichtsorganen mitwirken, die die Streikfonds verwalten. Zudem sind sie von Abstimmungen auszuschließen, in denen die tarifpolitischen Ziele festgelegt oder Ergebnisse von Tarifverhandlungen angenommen werden. Es wird teilweise darüber hinaus auch noch gefordert, die Verbandssatzung müsse vorsehen, dass ein Wechsel in die OT-Mitgliedschaft zum Verlust entsprechender Ämter führe.

Demgegenüber stehen den OT-Mitgliedern die allgemeinen Mitwirkungsrechte eines gewöhnlichen Vereinsmitglieds zu, die keinen originären Bezug zur Tarifpolitik des Verbandes haben. Die Beteiligung bei der Erörterung tarifpolitischer Fragen mit beratender Stimme ist ebenfalls unbedenklich. Denn dem Verband ist es auch nicht verwehrt, sich durch an die tarifpolitischen Entscheidungen nicht gebundene außenstehende Dritte beraten zu lassen.

Hinweis für die Praxis:

Diese Anforderungen sind in der notwendigen Klarheit zu regeln. In der Praxis kann daher nur dringend empfohlen werden, eine sehr differenzierte, deutliche Ausgestaltung der Verbandssatzung vorzunehmen und keine Zweifelsfragen aufkommen zu lassen. Die strikte Trennung kann sprachlich ohne weiteres herbeigeführt werden und Restrisiken werden auf diese Weise vermieden.

Fazit:

Die Entscheidung des Tarifsenats ist konsequent und zutreffend. Der Praxis werden klare Leitlinien an die Hand gegeben. Die Umsetzung ist sprachlich ohne weiteres umsetzbar. Die Rechtsprechung des BAG führt damit zur Rechtssicherheit.

 

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