Der Betriebsrat ist bei einer Änderungskündigung zur Herbeiführung einer Versetzung doppelt zu beteiligen: Zum einen wegen der Änderungskündigung nach § 102 BetrVG und zum anderen wegen der damit verbundenen Versetzung nach § 99 BetrVG. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nun mit der Frage zu befassen, ob eine Änderungskündigung schon deshalb unwirksam ist, weil der Betriebsrat berechtigt der Versetzung nicht zugestimmt hat (BAG, Urteil v. 22.04.2010 – 2 AZR 491/09).
Der Fall:
Die Klägerin macht die Unwirksamkeit einer unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung und einer Versetzung geltend.
Zwischen den Vertragsparteien waren als Dienstorte Duisburg und Köln vereinbart. Seit dem 1. Januar 2002 arbeitete die Klägerin in häuslicher Telearbeit an ihrem Wohnort und fuhr hin und wieder zum Büro der Beklagten nach Duisburg, manchmal auch nach Frankfurt am Main. Die Fahrtzeiten nach Frankfurt wurden vergütet.
Im Februar 2008 hörte der Arbeitgeber die zuständigen Betriebsräte zu einer beabsichtigten Änderungskündigung der Klägerin nach Frankfurt am Main an. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Änderungskündigung. Die ausgesprochene Änderungskündigung nahm die Arbeitnehmerin unter Vorbehalt an.
Der Arbeitgeber sprach dann einige Monate später gegenüber der Klägerin eine Versetzung nach Frankfurt am Main aus. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zu dieser Versetzung. Das Zustimmungsersetzungsverfahren endete in der 2. Instanz durch Zurückweisung der Arbeitgeberanträge. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts ist rechtskräftig geworden.
Mit ihrer Klage macht nun die Klägerin die Sozialwidrigkeit der Änderungskündigung geltend. Außerdem stehe der Wirksamkeit der Änderungskündigung vor allem entgegen, dass sie auf eine Maßnahme bzw. Versetzung gerichtet sei, von der bereits rechtskräftig feststehe, dass sie nicht mehr umgesetzt werden könne.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben nach den Klageanträgen entschieden und die Klägerin bestätigt.
Die Entscheidung:
Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Vorinstanzen insoweit bestätigt, als die ausgesprochene Versetzung unwirksam war. Bezogen auf die ebenfalls von den Vorinstanzen festgestellte Unwirksamkeit der Änderungskündigung hat das Bundesarbeitsgericht allerdings die Entscheidungen aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
I. Änderungskündigung und Versetzung
Das Bundesarbeitsgericht hält an der Trennung zwischen dem betriebsverfassungsrechtlichen Schicksal der Versetzung und den Wirksamkeitsvoraussetzungen der Kündigung weiter fest. Für eine Änderungskündigung zum Zwecke der Versetzung ist die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung oder ihre gerichtliche Ersetzung als solche keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Die §§ 99 ff. BetrVG enthalten im Unterschied zu § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG keine ausdrückliche Unwirksamkeitsregelung. Würde man dies anders beurteilen, so würden Änderungskündigungen in einem vom Gesetz nicht angeordnetem Ausmaß erschwert und wären schon wegen der möglichen Dauer eines Zustimmungsersetzungsverfahrens keine angemessene Gestaltungsmöglichkeit zur Anpassung von Arbeitsverhältnisses an geänderte betriebliche Gegebenheiten. Die Regelung des § 2 KSchG (Änderungskündigung) zeigt jedoch, dass dem Arbeitgeber vom Gesetz eine realisierbare Möglichkeit der Änderungskündigung gegeben werden sollte.
II. Unterschiedliche Streitgegenstände
Gegenstand eines Verfahrens auf Ersetzung der Zustimmung zu einer Versetzung ist die Frage, ob die beabsichtigte personelle Maßnahme gegenwärtig und zukünftig zulässig ist. Es erfolgt keine vergangenheitsbezogene Prüfung. Die gegenwarts- und zukunftsbezogene Frage ist nach Maßgabe der Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu beantworten. Veränderungen tatsächlicher Art sind dementsprechend bis zum Schluss der Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen.
Hinweis für die Praxis:
Der Arbeitgeber kann den Betriebsrat ggf. mehrmals hintereinander um Zustimmung zur Versetzung desselben Arbeitnehmers auf denselben neuen Arbeitsplatz ersuchen. Er kann dementsprechend mehrere Zustimmungsersetzungsverfahren – nacheinander oder auch zeitlich parallel, also schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des zunächst eingeleiteten – bei Gericht anhängig machen. Diese haben trotz des gleichen Rechtsschutzziels prozessual unterschiedliche Gegenstände. Durch die rechtskräftige Ablehnung der Zustimmungsersetzung in einem vorangegangenen Verfahren ist der Ausgang eines weiteren Ersetzungsverfahrens nicht präjudiziert.
III. Änderungskündigung und Weisungsrecht
Der Arbeitgeber ändert mit einer Änderungskündigung die Arbeitsbedingungen. Ob und wann der Arbeitgeber aber von der gewünschten Änderung der Vertragsbedingungen tatsächlich Gebrauch macht, ist eine andere Frage. Ob die dem Arbeitnehmer angesonnene Änderung der Arbeitsbedingung sozial gerechtfertigt ist, ist grundsätzlich unabhängig davon zu beurteilen, ob und wann der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nutzt.
Hinweis für die Praxis:
Demnach unterscheiden sich die Streitgegenstände und gerichtlichen Prüfprogramme von Zustimmungsersetzungs- und Änderungsschutzverfahren maßgeblich. Hinzu kommt, dass die Wirksamkeit der Änderungskündigung nach der im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, die Berechtigung der Zustimmungsverweigerung dagegen nach der Rechts- und Tatsachenlage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu beurteilen ist. Dies zeigt, dass unterschiedliche Entscheidungen über die Versetzung auf der einen und die Änderungskündigung auf der anderen Seite ohne weiteres möglich sind.
IV. Keine dauernde Unmöglichkeit
Die rechtskräftige Abweisung des Zustimmungsersetzungsantrages des Arbeitgebers führt also nicht dazu, dass die Leistungserbringung durch den Arbeitnehmer unmöglich würde (§ 275 Abs. 1 BGB). Dies wäre nur der Fall, wenn eine dauernde Unmöglichkeit gegeben wäre. Wie erläutert, steht es aber dem Arbeitgeber unbenommen, nach erfolglosem Zustimmungsersuchen und erfolglosem Antrag auf Zustimmungsersetzung ein neues Ersuchen um Zustimmung an den Betriebsrat zu richten und bei dessen abermaliger Ablehnung erneut deren gerichtliche Ersetzung zu beantragen. Der Arbeitgeber ist damit für die Zukunft durchaus in der Lage, die kollektivrechtliche Sperre noch zu beseitigen.
Hinweis für die Praxis:
Der Arbeitnehmer ist in diesen Fällen ausreichend geschützt. Wie ausgeführt, bleibt die Versetzung auch individualrechtlich unwirksam, solange die Zustimmung des Betriebsrats nicht erteilt oder ersetzt ist. Der Arbeitnehmer muss also trotz deren Wirksamkeit nicht zu den geänderten Bedingungen arbeiten.
Fazit:
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist konsequent und zutreffend. In der Praxis müssen aber die Fallstricke der verschiedenen Beteiligungsverfahren sorgfältig beachtet und voneinander getrennt durchgeführt werden. Selbst wenn die individualrechtliche Versetzung möglich ist, bedarf es stets der kollektivrechtlichen Zustimmung des Betriebsrats. Fehlt es an dieser, kann die Versetzung tatsächlich nicht umgesetzt werden. Allerdings kann der Arbeitgeber im Falle einer Ablehnung erneut die gerichtliche Ersetzung beantragen.
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